Alfred Scherman (rechts) beim Rundgang im Waiblinger Ausbildungscenter. Foto: Stoppel

Alfred Scherman ist 36 Jahre alt, lebt in Virginia Beach, und macht auf amerikanischem Boden eine Mechatroniker-Lehre nach deutschem Vorbild. Nun ist der Stihl-Mitarbeiter zum „Azubi des Jahres“ gekürt worden.

Waiblingen - Wenn Landsleute Alfred Scherman fragen, was er arbeitet, erntet der 36-jährige US-Amerikaner meist fragende Blicke für seine Antwort. Die lautet nämlich: „Ich mache eine Lehre“ – auf Englisch: „an apprenticeship“. Die nächste Frage sei dann meist: „Was ist das?“, die übernächste „Verdienst du Geld?“, erzählt Alfred Scherman und lacht.

Dass die meisten Menschen in seiner Heimat mit dem Begriff Lehre wenig bis nichts anfangen können, stört den Mann aus dem US-Staat Virginia wenig. „Das ist ein tolles System“, schwärmt er beim Besuch in Waiblingen über seine duale Ausbildung zum Mechatroniker. Möglich ist solch eine deutsche Ausbildung auf amerikanischem Boden, weil Scherman in einer Produktionsstätte der Firma Stihl in Virginia Beach tätig ist.

„Die amerikanischen Kollegen dort haben einen Ausbildungsplan erstellt und mit der deutschen Industrie- und Handelskammer besprochen“, erklärt Günther Kahn, der Leiter der Ausbildungsabteilung in Waiblingen, das Prozedere. Nach bestandenem Abschluss erhalte Scherman ein Zertifikat von der Außenhandelskammer. „Wenn er es einer deutschen Industrie- und Handelskammer vorlegt, bekommt er einen Facharbeiterbrief ausgehändigt.“

Hohe Abbrecherquote in den Staaten

Dass Alfred Scherman, der derzeit im zweiten Jahr seiner Ausbildung ist, einen guten Abschluss hinlegen wird, ist ziemlich wahrscheinlich. Hat er doch seinen fünftägigen Besuch in Deutschland als Belohnung für herausragende Leistungen bekommen. Zudem darf er sich mit dem Titel „Azubi des Jahres“ der Deutsch-Amerikanischen Handelskammern schmücken. Seinen Besuch in Deutschland – der erste, trotz seiner deutschen Wurzeln – hat Alfred Scherman auch für einen Besuch im Stammwerk seiner Firma in Waiblingen genutzt. Und seine Frau Tracy und Töchterchen Olivia mitgebracht. Die Sechsjährige könnte sich gut vorstellen, in Deutschland zu leben – nur ihre beiden Hunde, die müssten noch nachkommen. Marco und Gabriel, beides Auszubildende im dritten Lehrjahr, führen die Schermans durch das Waiblinger Ausbildungscenter, in dem jeder Auszubildende seinen Arbeitsplatz hat. „Wir fangen an der Werkbank an, beschäftigen uns erst mit Mechanik und dann mit Elektronik“, erzählt Friedrich Rühle, der die Mechatroniker ausbildet. Alfred Scherman erkundigt sich nach der Abbrecherquote bei den Azubis. „Wir hatten noch nie einen Mechatroniker, der hingeschmissen hat“, sagt Rühle. Das sei bei ihm zu Hause anders, erzählt der Azubi Scherman. Eine Rolle dürfte dabei spielen, dass die Auszubildenden meist deutlich älter sind als hierzulande und häufig Familie haben und dass eine Ausbildung unter Bedingungen wie im Fall von Alfred Scherman abläuft: „Wir arbeiten den ganzen Tag und haben vier Mal die Woche abends Schule. Von uns werden beste Noten erwartet.“

Dennoch sei das besser, als sein früherer Job als Partyorganisator, in dem er 80 bis 90 Stunden pro Woche gearbeitet habe, sagt Scherman. Dann lässt er sich von Marco und Gabriel das Juniorcenter zeigen, eine Firma in der Firma, welche der Nachwuchs weitgehend eigenverantwortlich organisiert und betreibt. Es wird über Kurbelwellen und Vergaser gefachsimpelt.

Deutsche Azubis haben viel Freiheit und können kreativ sein

Auch die Gerätschaften, welche die Azubis im Zuge ihrer Ausbildung nach eigenen Ideen gebaut haben – ein Tischkicker für acht Spieler oder ein Flipper, an dem zwei Spieler gegeneinander antreten können – kommen bei dem amerikanischen Azubi gut an. „Die Kreativität und Freiheit, eigene Projekte machen zu können, gefällt mir gut“, sagt Scherman nach der Tour mit Gabriel und Marco. „Wir haben da nicht so viele Freiheiten“, bedauert er: „Uns wird immer gesagt, das sei so, weil es eine deutsche Ausbildung ist.“