Senioren spielen Veeh-Harfe. Hermann Veeh hat das Instrument einst für seinen Sohn mit Down-Syndrom entwickelt. Foto: Wiebke Wetschera

Mit der Veeh-Harfe sollen die Senioren in der Begegnungsstätte Stuttgart-Fasanenhof Freude am Musizieren haben – ganz ohne musikalische Vorkenntnisse.

Fasanenhof/Dürrlewang - Es ist Freitagnachmittag in der AWO-Begegnungsstätte Fasanenhof. Knapp 20 Besucher haben ihre Gesangshefte vor sich ausgebreitet und stimmen zur Begrüßung ein deutsches Volkslied an. Jeden Freitag singen und musizieren die Senioren gemeinsam in der Begegnungsstätte. Im Mittelpunkt des musikalischen Nachmittags steht die Veeh-Harfe.

Kaum einer der Besucher an diesem Nachmittag ist sonderlich musikalisch oder hat jahrelang ein Instrument gespielt. Dass sie dennoch Freude am Veeh-Harfe-Spielen haben, liegt an dem Konzept des Instruments. „Hermann Veeh hat die Harfe für seinen Sohn mit Down-Syndrom herstellen lassen“, sagt Eva Gräter, die den Senioren das Zupfen zeigt. „Damit sollen auch Personen mit wenig Vorkenntnissen oder Einschränkungen musikalisch aktiv werden.“

Auf dem Programm stehen vor allem deutsche Volkslieder

Das Prinzip des Spielens ist ganz einfach: Hinter die Saiten der Veeh-Harfe wird ein Blatt Papier gelegt, das dem Spieler anzeigt, welche Saite wann gezupft werden muss. Auf den aufgedruckten Saiten auf dem Papier sind nicht ausgemalte Kreise für lange Töne und schwarz ausgefüllte Kreise für kurze Töne zu dem Gesamtbild einer Melodie angeordnet – so wie bei den halben und Viertelnoten der Notenlehre. „Wir spielen natürlich nicht perfekt, mal klappt es gut und mal weniger gut“, sagt Nele Bonner von der AWO-Begegnungsstätte Dürrlewang, die das Projekt zusammen mit Markus Winterhagen von der AWO-Begegnungsstätte Fasanenhof betreut.

Einmal die Woche singen und spielen die musikbegeisterten Senioren 90 Minuten lang deutsche Volkslieder. „Wir brauchen einfache Lieder, die man kennt, und die einigermaßen zur Jahres- und Tageszeit passen“, sagt Gräter. „Diese Lieder zu finden, ist manchmal nicht einfach.“ Das gemeinsame Singen zwischendurch sei wichtig, damit die Teilnehmer nach der Konzentration auf das Harfe-Spielen wieder aufgelockert werden. Dafür hat Gräter neben ihrer Gitarre auch ein Akkordeon im Gepäck. Während der Gesangsteile können auch jene Senioren, die aufgrund ihres eingeschränkten Sehvermögens nicht auf der Harfe spielen können, aktiv mitmachen.

Für viele der älteren Besucher ist das Harfe-Spielen nicht einfach: Einige haben Probleme, die Seiten zu zupfen und drücken stattdessen darauf herum. Bei einigen spielt auch die zunehmende Demenz eine große Rolle. „Manchmal sind alle total fit und dann klingt es toll und auf einmal geht es gar nicht mehr“, sagt Gräter.

Für das Projekt werden mehr Harfen gebraucht

Die acht Veeh-Harfen hat die AWO zu Beginn des Projekts im November von der Nachbarschaftshilfe der Caritas Stuttgart bekommen. Für alle regelmäßigen Teilnehmer reichen sie aber nicht aus, sodass nur abwechselnd gespielt werden kann. „Wir brauchen noch mehr Harfen“, sagt Gräter. „Denn jetzt fangen wir eigentlich erst richtig an.“ Im Seniorenalter würden die Besucher nun die Zeit finden, musikalisch aktiv zu werden. „Das Wichtigste dabei ist die Routine, deswegen muss das Spielen regelmäßig stattfinden“, sagt Bonner.

Das Ziel an diesem Freitagnachmittag ist es, zum ersten Mal mehrstimmig mit den Harfen zu spielen. „Durch mehrere Stimmen klingt das Lied kompliziert, obwohl eigentlich jeder etwas ganz Einfaches macht“, sagt Gräter. Ein Teilnehmer erklärt sich daher bereit, die zweite Stimme zu spielen. „Da braucht man ja nichts machen, außer abzulesen“, erklärt der Besucher sein Talent. „Das ist wirklich sehr einfach.“ Diese Erfahrung hat auch Gräter in den vergangenen Monaten gemacht. „Es ist eine gute Sache und macht allen wirklich Freude, weil sie alle aktiv werden können“, sagt sie. „Wenn wir fertig sind, sind alle erfüllt.“ Oft hört sie dann die Reaktion: Jetzt haben Sie mich ja doch zum Spielen gebracht.