Sind Neuwagen für die breite Masse noch erschwinglich? Foto: dpa

Der Anteil an Autos in Deutschland, die bereits 15 Jahre und mehr auf dem Buckel haben, ist stark angestiegen. War es 1995 nur jeder 12. Wagen, so ist es inzwischen jeder fünfte.

Stuttgart - Bessere, saubere Fahrzeuge setzen sich erst viel später durch als gedacht. Zu dieser Erkenntnis kommt der in Stuttgart beheimatete Auto Club Europa (ACE), nachdem er aktuelle Daten des Kraftfahrtbundesamtes ausgewertet hat.

Der Club ermittelte nach Angaben seines Sprechers Constantin Hack, dass sich deutschlandweit inzwischen alle Fahrzeugarten deutlich länger im Verkehr befinden als noch vor 20 Jahren. Der durchschnittliche Pkw bringt es demnach auf eine Lebensdauer von neun Jahren. 1995 wiesen die im Bundesgebiet zugelassenen Personenwagen noch ein Durchschnittsalter von 6,8 Jahren auf. Seither wurden sie in jeder Dekade ein Jahr länger gefahren als zuvor. ACE-Sprecher Hack: „Nie wurden Pkw so lange gefahren wie heute!“ Motorräder verschrotten die Besitzer mittlerweile sogar erst nach 16,2 Jahren.

Für Hack ist die Entwicklung gefährlich: „Bedenklich angestiegen“ sei vor allem der Anteil von Autos, die bereits 15 Jahre und mehr auf dem Buckel haben. Gehörte im Jahr 1995 nur jeder zwölfte Wagen in diese Altersklasse, so ist 2015 mehr als jeder fünfte Pkw 15 Jahre alt oder noch älter. Damit verfügten diese Autos „oftmals nicht über lebensrettende Sicherheitsmerkmale“. Das Antiblockiersystem ABS und das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP sind beispielsweise nicht mit an Bord.

Dazu kommt: Legt man die durchschnittliche Jahreskilometerleistung zu Grunde, kommt „die Auto-Generation 15 plus“ auf Laufleistungen weit jenseits der 200 000-Kilometer-Marke. Für Hack „der nächste Knackpunkt“. Denn bei der Zulassung neuer Fahrzeugtypen ist vom Hersteller nur ein Funktionsnachweis der Abgasreinigungssysteme über 100 000 Kilometer (ab Euro 4) zu erbringen. Heißt: Die Abgasbehandlungssysteme müssen 100 000 Kilometer funktionieren. Überprüft wird das aber nur durch bordeigene Mittel – die sogenannte On-Board-Diagnose. Und diese zeigt eine Fehlermeldung erst an, wenn sehr hohe Schwellenwerte überschritten werden. Dieselpartikelfilter sind aber laut Hack „oftmals schon nach 150 000 Kilometern verstopft“. Die Wirksamkeit nehme mit dem Fahrzeugalter ab. Der ACE-Sprecher: Die Kontrollen allerdings nehmen nicht zu. Denn seit Einführung der Euro-5-Abgasnorm wird der Abgasstrom von Dieselfahrzeugen im Rahmen der AU gar nicht mehr tatsächlich gemessen – sondern es wird aus dem Fehlerspeicher der On-Board-Diagnose auf die Wirksamkeit der Abgasreinigungssysteme geschlossen.“

Anlass zur Sorge

Zwar wertet der ACE die hohen Laufleistungen als Zeichen für einen ausnehmend hohen Stand der Technik. Dennoch bestehe begründeter Anlass zur Besorgnis. So attestiert der Tüv acht- bis neunjährigen Pkw eine Mängelquote von 27 Prozent bei der Hauptuntersuchung. Von den bis zu elfjährigen Fahrzeugen fiel sogar jedes dritte beim Sicherheits-Check auf. „Die Frage muss erlaubt sein, ob Neuwagen für die breite Masse noch erschwinglich sind“, gibt ACE-Sprecher Hack zu bedenken. Die Vielzahl von Rabattaktionen und Sonderangeboten im Autohandel lasse den Schluss zu, dass die Schere zwischen Kaufkraft und Neu-wagenpreis immer weiter auseinander klaffe.

Den letzten großen Boom beim Kauf neuer Fahrzeuge gab es in Deutschland 2009. In jenem Jahr bescherte die sogenannte Umweltprämie dem Automarkt ein starkes Wachstum. 3,8 Millionen Käufer entschieden sich für einen Neuwagen. Das war ein Plus von mehr als 20 Prozent im Vergleich zu anderen Jahren. Die Abwrackprämie war eine staatliche Prämie in Höhe von 2500 Euro. Sie sollte der Autoindustrie helfen infolge eines dramatischen Rückgangs der Verkaufszahlen von Neuwagen während der Finanzkrise 2007. Mehr als einen Einmaleffekt hatte die Prämie nicht, Dass die Autos seit 20 Jahren im Schnitt immer älter werden, konnte auch sie nicht verhindern.