„Verbraucher zahlen in Werkstätten zu viel“, moniert der Automobilclub ACE Foto: Caro / Heinrich

In China haben Behörden viele Autohersteller zu Bußgeldern verdonnert, weil sie Ersatzteile überteuert an Kunden verkauft haben sollen. Auch in Deutschland sei der Reparaturmarkt weit entfernt von einem freien Wettbewerb, bemängeln Automobilclubs wie der ACE.

In China haben Behörden viele Autohersteller zu Bußgeldern verdonnert, weil sie Ersatzteile überteuert an Kunden verkauft haben sollen. Auch in Deutschland sei der Reparaturmarkt weit entfernt von einem freien Wettbewerb, bemängeln Automobilclubs wie der ACE.

Stuttgart - Wenn es um die Geschäftspraxis auf dem chinesischen Markt geht, halten sich die deutschen Autohersteller bedeckt. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu einem laufenden Verfahren nicht äußern“, sagt ein Daimler-Sprecher. Gegen den Konzern laufen Ermittlungen der chinesischen Wettbewerbshüter. Daimler soll die Preise von oben herab diktiert haben. Ersatzteile für die in China hergestellte C-Klasse hätte der Konzern in der ostchinesischen Provinz Jiangsu sogar um über 1000 Prozent überteuert verkauft, berichteten Zeitungen in den vergangenen Wochen. Andere Hersteller wie BMW, Audi oder viele japanische Zulieferer müssen wegen ähnlicher Praktiken bereits empfindliche Strafen bezahlen, zum Teil in Millionenhöhe.

So weit weg ist China gar nicht. „Auch in Deutschland zahlen die Verbraucher zu viel in der Werkstatt“, sagte Constantin Hack, Berater für Technik, Verkehr und Umwelt beim Auto Club Europa (ACE) in Stuttgart. Das liege nicht nur an den hohen Stundensätzen, sondern auch an den sehr teuren Ersatzteilen. Bereits vor einem Jahr legte der ADAC einen Preisvergleich vor. Demnach müssen Kunden in Deutschland für Kotflügel vom Autobauer beim Ford Focus 170 Euro bezahlen, ein freier Händler würde dafür theoretisch 67 Euro verlangen. Bei einem Mazda 6 kommt eine Frontscheibe vom Hersteller auf 456 Euro, freie Teilehändler könnten diese für 290 Euro anbieten. Ein Frontstoßfänger beim Golf VI kostet demnach 317 Euro, wenn er von VW ist, sonst wären es nur 122 Euro. „Preisvergleiche haben verschiedentlich gezeigt, dass Qualitätsteile des freien Markts oftmals günstiger sind als die Teile aus dem Vertrieb der Fahrzeughersteller“, sagte Hartmut Röhl, Präsident des Gesamtverbands Autoteile-Handel (GVA).

Grund für die Differenz ist in vielen Fällen der sogenannte Designschutz. Sichtbare Teile der Karosserie wie Stoßstangen, Motorhaube oder Rückspiegel dürfen demnach nicht von unabhängigen Firmen nachgebaut und als Ersatzteil verkauft werden. „Dies führt zu einer Art Monopolstellung der Hersteller, was die Ersatzteile angeht, ein fairer Wettbewerb kann so nicht entstehen“, sagte Constantin Hack vom ACE. Autohersteller wie Daimler verweisen auf die Sicherheit. „Gerade im Automobilsektor kann die Verwendung von gefälschten Produkten zu einer unmittelbaren Gefährdung der Insassen führen“, so eine Sprecherin des Konzerns.

Allerdings müssen nachgebaute Ersatzteile die gleichen Anforderungen erfüllen wie Originalteile des Herstellers. Eine breite Allianz aus Verbraucherschützern, ADAC, Versicherungen und der freie Kfz-Teilehandel hat jahrelang versucht, den Designschutz für Ersatzteile auf EU-Ebene zu lockern. Ende Mai hat die Europäische Kommission den Entwurf zu einer Neufassung jedoch offiziell zurückgezogen. Für GVA-Chef Röhl sind die Gründe klar. „Die Fahrzeughersteller sind dagegen, da sie um ihre satten Monopolgewinne in diesem Segment fürchten.“

Auch Versicherungen kritisieren den mangelhaften Wettbewerb auf dem Reparatur-Markt. „Steigende Ersatzteilpreise belasten Autofahrer und Versicherer“, sagt ein Sprecher von HUK-Coburg, dem nach eigenen Angaben größten deutschen Kfz-Versicherer. „Fair wäre es, wenn sichtbare Karosserie-Ersatzteile vom Schutz des Karosserie-Designs neuer Autos ausgenommen werden würden.“ Demnach könnten die deutschen Versicherer bei der Schadensregulierung durch eine Liberalisierung des Marktes mehrere Milliarden Euro einsparen. „Dies würde sich natürlich spürbar dämpfend auf die Versicherungsprämien auswirken“, so der Sprecher der HUK-Coburg.

Der Designschutz ist jedoch nicht das einzige Beispiel, mit dem die Autohersteller ihre Machtposition auf dem Markt ausspielen. So kämen laut GVA manche Hersteller ihren gesetzlichen Pflichten bei der Weitergabe von technischen Informationen an unabhängige Marktteilnehmer nicht nach. Die zunehmende Elektronisierung macht die Teile eines Autos immer komplexer. Gebaut werden können diese aber nur von demjenigen, der über detaillierte Beschreibungen des jeweiligen Ersatzteils verfügt. Zudem hätten Konzerne verschiedentlich versucht, Autofahrern vorzugaukeln, Garantie und Gewährleistungsansprüche hingen von dem Service und der Reparatur in einer Vertragswerkstatt ab. Daimler verweist auf eine stets ordnungsgemäße Weitergabe technischer Informationen. Abgesehen davon stehe es jedem Kunden frei, ob Arbeiten am Fahrzeug bei einer markengebundenen oder einer freien Werkstatt gemacht würden.

Der ACE rät Autofahrern im Fall eines Blechschadens zu prüfen, ob dieser nicht auch ohne Austausch von Teilen repariert werden könne. Dies könne sich vor allem bei teuren Ersatzteilen lohnen. Auch die Recherche auf einem Schrottplatz oder bei einem Verwerter im Internet könne – je nach Alter des Autos – sinnvoll sein. Dort fänden sich Ersatzteile oft zu einem Bruchteil der Kosten von Originalteilen. Constantin Hack: „Verbraucher sollten immer einen Kostenvoranschlag verlangen und gegebenenfalls auf der Verwendung von gebrauchten Teilen bestehen.“

Info: Der Markt für Ersatzteile

Zum Kfz-Markt gehört neben dem Neuwagen-Verkauf auch der Markt für Ersatzteile. Er hatte 2013 in Deutschland ein Volumen von 31,5 Milliarden Euro. Er teilt sich auf in Ersatz- und Verschleißteile wie etwa Bremsbeläge, Zubehör wie mobile Navigationsgeräte oder Kindersitze, Tuningartikel, Reifen und Autochemie wie beispielsweise Reparaturlacke oder Motoröl.

Auf diesem Markt konkurrieren die Fahrzeughersteller mit unabhängigen Marktakteuren wie der Kfz-Teileindustrie, dem Teilegroßhandel sowie den freien Werkstätten. 19 000 markengebundenen Werkstätten stehen genauso viele freie gegenüber. Der gebundene Markt der Hersteller und ihrer Werkstätten erreicht einen Anteil von etwa 55 Prozent, der freie Markt 45 Prozent.

Die Unternehmensberatung Roland Berger geht in einer Studie aus dem Jahr 2012 davon aus, dass die Autohersteller mit Ersatzteilen zwar nur 20 Prozent Umsatz machen, aber 80 Prozent ihres Gewinns erwirtschaften. Bis 2016 erwartet Roland Berger ein jährliches Umsatzwachstum von 1,2 Prozent im Handel mit Ersatzteilen. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass in Deutschland jedes Jahr mehr Autos zugelassen als stillgelegt werden. Das durchschnittliche Alter eines Autos auf deutschen Straßen steigt damit an, 2013 lag es bei 8,7 Jahren.

Der Branchenreport der Volksbanken und Raiffeisenbanken 2013 geht in den kommenden Jahren von einem „scharfen Verdrängungswettbewerb“ aus. Der Konzentrations- und Verdrängungsprozess werde sich weiter fortsetzen. Ihm würden vor allem „kleine, mittelgroße, ertragsschwache Betriebe“ zum Opfer fallen.