Auch beim Google-Auto ist Bosch mit von der Partie Foto: dpa

Wohl selten war die Technologie in so kurzer Zeit Gegenstand so umwälzender Veränderungen. Volkmar Denner, seit zweieinhalb Jahren Chef des Bosch-Konzerns, bringt den Konzern für diese Entwicklungen in Position.

Stuttgart - Das Unternehmen Bosch ist zwar 129 Jahre alt, doch nun, da sich die Wirtschaft teilweise neu erfindet, will der Stuttgarter Technologiekonzern ganz vorn mit dabei sein. Ob es das vernetzte Haus ist oder das Auto, das zunehmend zum internetfähigen Computer wird – der Stuttgarter Konzern hat den Anspruch, die Entwicklung mitzubestimmen. Dazu gehört allerdings auch, Hürden nehmen zu müssen, vor denen Nachahmer nicht stehen werden.

Autonomes Fahren

Ob man fürs Fahren bald keinen Führerschein mehr benötigt? Für Bosch-Chef Volkmar Denner ist das fahrerlose Autofahren jedenfalls nicht nur eine technische, sondern auch eine rechtliche Frage. Bis heute gelte im Verkehrsrecht das Prinzip: Es muss einen Fahrer geben, der das Fahrzeug jederzeit unter Kontrolle hat. Seine Hände müssen am Steuer und sein Blick auf der Straße sein. Systeme, die dies überflüssig machen, sind heute nur in sehr begrenztem Ausmaß und für niedrige Geschwindigkeiten erlaubt – etwa bei Einparkassistenten. Lenkassistenten, die den Fahrbahnverlauf erkennen und das Auto entsprechend steuern können, müssen heute dagegen automatisch abgeschaltet werden, sobald der Fahrer die Hände vom Steuer nimmt.

Denners Einschätzung zufolge wird sich die Umstellung in mehreren Phasen vollziehen. Ein Stau-Assistent ermöglicht etwa, dass der Fahrer die Hände vom Steuer nimmt. Er muss aber weiter das Verkehrsgeschehen verfolgen und jederzeit eingreifen können. In einem weiteren Schritt könne der Fahrer dann auch den Blick von der Straße abwenden und etwa ein Buch lesen. In dieser Phase müsse er aber weiter in der Lage sein, jederzeit einzugreifen. Der Autobahnpilot könne das Auto einmal selbstständig über die Autobahn steuern. Daran werde man sich „schrittweise herantasten“. Voraussetzung für diese Entwicklung seien Gesetze, die sich dem technischen Fortschritt anpassen.

Neuer Rivale Google

Je mehr Auto und Elektronik zusammenwachsen, desto interessanter wird die Autobranche auch für die Elektronikindustrie. Google testet nun selbstfahrende Autos auf öffentlichen Straßen und demonstriert damit den Anspruch, den Autobauern ihr Terrain streitig zu machen. Denner nimmt diese Herausforderung selbstbewusst – denn zentrale Komponenten für das Google-Auto wie wichtige Teile des elektrischen Antriebs, die Elektrolenkung und die Sensorik für das autonome Fahren kommen von Bosch. Das seien „die Erzeugnisse, mit denen das Fahrzeug automatisiert fahren kann“. Denner geht davon aus, dass die Entwicklung schrittweise kommen wird, während Google auf „Disruption“ setze, also darauf, die bisherigen Geschäftsmodelle der Autohersteller auszuhebeln und mit seiner Technologie die Wertschöpfung im Autobau zu dominieren. Denner sieht das pragmatisch: „Durch unsere Zusammenarbeit mit einem Anbieter, der den disruptiven Ansatz verfolgt, sind wir bei beiden Konzepten dabei“, so Denner.

Elektromobilität

Jahr für Jahr investiert Bosch Hunderte Millionen Euro in die Elektromobilität – insbesondere in die Erforschung einer Batterietechnologie, die die Reichweite reiner E-Autos erhöht und die Kosten senkt. Doch die Erträge bleiben mangels Stückzahlen aus – in der gesamten Branche. „Die Elektromobilität ist ein Investitionsgeschäft“, sagt Rolf Bulander, der designierte Chef der Autosparte, der im April dem künftigen Mahle-Chef Wolf-Henning Scheider nachfolgt. Eines, in das man gegenwärtig Geld hineinsteckt. An einen schnellen Durchbruch der reinen Elektromobilität glaubt Bulander nicht. „Selbst wenn die heutige Technologie voll ausgereizt wird, ist ein Durchbruch nicht zu schaffen.“ Daher, so Konzernchef Volkmar Denner, wäre es „Verschwendung, mit diesen Technologien in die Massenfertigung zu gehen“. Stattdessen investiere man massiv in neue Technologien. Wo die Zellen der nächsten Generation wirtschaftlich gefertigt werden können, lasse sich heute aber noch nicht sagen, so Denner. Vor einigen Monaten war der Versuch von Daimler gescheitert, zusammen mit Evonik in Deutschland eine eigene Zell-Fertigung in Deutschland aufzubauen.

Kollege Roboter

Große Hoffnungen setzt Denner in das Thema Industrie 4.0, bei dem nicht nur Anlagen, sondern sogar Werkstücke internetfähig sind und miteinander vernetzt werden können. So könne man auf der gleichen Linie zum Beispiel ganz unterschiedliche Hydraulikventile herstellen, ohne die Anlage aufwendig umrüsten zu müssen, sagte Denner erst kürzlich. Dadurch könne die Produktivität enorm steigen. Doch auch die Arbeitswelt werde sich dadurch verändern – denn inzwischen können Roboter betrieben werden, ohne durch Schutzvorrichtungen wie Zäune vom Menschen getrennt zu werden. Dank Vernetzung und Sensoren ist es inzwischen möglich, dass Roboter auf Menschen Rücksicht nehmen und daher mit diesen zusammenarbeiten können, sagte Denner. Das habe aber Auswirkungen auf die Arbeitswelt: Einfache Arbeitsplätze würden am ehesten durch Roboter ersetzt – andererseits steige der Bedarf an hoch qualifizierten Menschen durch diese Arbeitsweise weiter. Jetzt, so Personalchef Christoph Kübel, gelte es, die Lücke zwischen den in Deutschland erforderlichen Qualifikationen und dem, was bereits vorhanden ist, zu schließen.

Von Uber lernen

Der amerikanische Mietwagen-Vermittlungsdienst Uber erobert mit einer recht simplen Idee die Welt: Autobesitzer werden mit Menschen zusammengebracht, die irgendwohin fahren wollen – und der Betreiber der Plattform, auf der all das stattfindet, macht das große Geschäft zu geringen Kosten. „Wenn es darum geht, auf Technologien noch ein Geschäftsmodell draufzusetzen, tut sich Deutschland schwer“, so Denner. Andererseits böten die USA hervorragende Startbedingungen für Firmengründer – etwa eine Szene von Risikokapitalgebern, die Uber in Milliardenhöhe unterstützt habe. Der deutsche Plattformbetreiber MyTaxi dagegen habe nur einen Bruchteil dieses Betrags auftreiben können. Hinzu komme, dass die USA einen riesigen, einheitlichen Markt bieten, auf dem die Firmen wachsen können. Deshalb sei auch die Politik aufgerufen, sich um den Aufbau einer europäischen Szene von Risikokapitalgebern zu kümmern. Dabei gehe es weniger um die Unterstützung in der Startphase, sondern darum, einem Unternehmen das Wachstum auf eine relevante Marktgröße zu ermöglichen. Dafür seien meist zwei- bis dreistellige Millionenbeträge erforderlich, für die es heute an Finanzierungsinstrumenten fehle. Deshalb entstehen Firmen wie Uber vor allem in den USA, während deutsche Firmen mit ähnlichen Ideen in ihrer Größe beschränkt bleiben.