Ein mögliches Zukunftsvehikel: So stellt sich Daimler einen elektrisch betriebenen Smart-Scooter vor. Ob er je gebaut wird, ist fraglich Foto: Firmenfoto

Neue Fahr-Konzepte: In Nürtingen haben Autoexperten ihre Visionen präsentiert.
  

Nürtingen - Annette Winkler macht aus ihrer Begeisterung keinen Hehl. Daimlers Kultmarke Smart zu leiten sei für sie auch nach anderthalb Monaten "manchmal noch gar nicht zu glauben", auch privat ist die Smart-Chefin Fan der Marke. Das erste Modell legte sie sich 2002 in Brüssel zu, damals habe sie erst erfahren, wie viel Lebensqualität es bedeute, "mit dem Smart in die Stadt zu fahren und sich als normaler Mensch zu fühlen". Das ist so, weil der kurze Zweisitzer kaum etwas über Rang und Erfolg seines Lenkers aussagt. Seine wahre Bestimmung findet das Stadtmobil laut Winkler aber jetzt erst: "Der Smart war lange Zeit einfach seiner Zeit voraus", sagte Winkler beim 11. Tag der Automobilwirtschaft in Nürtingen. Heute dagegen sei der Zweisitzer das ideale Gefährt für Ballungsräume: Er kann statt längs quer zur Fahrtrichtung parken, fährt in der Leasingvariante bereits elektrisch und steht in Flotten von über 200 Stück in Ulm und bald auch in Hamburg zum Verleih für Menschen ohne eigenes Auto zur Verfügung.

Wie bewegen wir uns in den nächsten zehn bis 40 Jahren fort? - dieser Frage hat Willi Diez, Direktor des Nürtinger Instituts für Automobilwirtschaft (IFA), den diesjährigen Branchentreff gewidmet. Was für Winkler der Smart ist, ist für Norbert Reithofer das Megacity-Vehicle: So nennt BMW sein Elektromobil, das zwar erst 2013 auf den Markt kommen, den Produkten der Konkurrenz dann aber Längen voraus sein soll. Denn im Unterschied etwa zum E-Smart, der sich vom Benzin-Modell nur in der Antriebsart unterscheidet, entwickelt BMW ein ganz neues Auto für den Elektromotor. Darin sitzt der Fahrer in einer Kabine aus Carbonfasern, das Fahrgestell besteht überwiegend aus Aluminium. Beides gleiche das Mehrgewicht der Batterie aus, erklärte BMW-Chef Reithofer, "einen so konsequenten Ansatz gibt es nirgendwo in der Branche".

Autoexperte Willi Diez geht weiterhin von steigenden Fahrzeugzahlen aus

Einsatzort des Megacity-Vehicle sollen - wie der Projektname sagt - vor allem große Städte sein. Schon 2030 leben Prognosen zufolge 60 Prozent aller Menschen auf der Welt in der Stadt - Tendenz steigend. Neben der Elektromobilität hat der BMW-Chef drei weitere Zukunftstrends definiert: die weitere Reduzierung von Spritverbrauch und CO2-Ausstoß bei Benzin- und Dieselmotoren, umweltschonende Produktionsverfahren und eine wachsende Vernetzung von Fahrer und Fahrzeug mit der Umwelt. Letzteres mutet aus heutiger Sicht eher wie ein Science-Fiction-Film denn wie Realität an: So soll der Fahrzeugschlüssel der Zukunft auch Tickets für den öffentlichen Nahverkehr lösen und Hotelzimmertüren öffnen können. Reithofer: "Es wäre sogar denkbar, dass man den Schlüssel als Personalausweis nutzt."

Bevor es so weit ist, muss die Branche nach den Krisenjahren 2008 und 2009 aber erst den Alltag meistern. Trotz glänzender Geschäfte der Autobauer warnte Reithofer vor zu großer Euphorie. "Die Zukunft wird volatiler sein, als wir das in den letzten zehn Jahren gewöhnt waren", sagte er voraus, der weltweite Konkurrenzkampf werde zunehmen. Um die von Deutschland bis China stark unterschiedlichen Anforderungen an Mobilität und verschiedene Klimaschutz-Bestimmungen zu bedienen, müssten die Hersteller zunehmend neue, maßgeschneiderte Lösungen anbieten. Das setzt sich bis in den Vertrieb fort - Volkswagen zum Beispiel gibt heute ein Kundenmagazin auf dem iPad heraus und lässt potenzielle Kunden neue Modelle in Computerspielen testen, berichtet Vertriebsvorstand Christian Klingler. Und Smart-Frau Annette Winkler gibt sich nicht mit einem elektrischen Zweisitzer zufrieden, sondern hat kürzlich zudem ein Elektro-Fahrrad und einen Elektro-Scooter im Smart-Design vorgestellt. Entriegelt wird der Scooter per iPhone, danach lassen sich Fußrasten für einen Sozius ausklappen und ein Helm unter dem Sitz nutzen. Nur ob der Roller gebaut wird, ist noch unklar.

Autoprofessor Diez geht davon aus, dass die Branche die meisten Herausforderungen meistern wird. Der Weltautomarkt werde bis 2020 um 20 Millionen Fahrzeuge auf dann gut 74 Millionen wachsen, sagte er, auf dem deutschen Markt sollen 2011 mit 3,2 Millionen rund 300000 Fahrzeuge mehr neu zugelassen werden als dieses Jahr. Allerdings werden die deutschen Autohersteller 2010 voraussichtlich erstmals mehr Fahrzeuge im Ausland als im Inland bauen.