Bei großer Hitze kann auf Autobahnen der Fahrbahnbelag brechen Foto: dpa

Blow-up nennen es die Fachleute, wenn sich die Fahrbahn durch große Hitze wölbt. In diesem Sommer ist das durch teils lang anhaltende Hitzeperioden mehrfach passiert. Das kann zu verheerenden Unfällen führen. Das Land will deshalb alle gefährdeten Autobahnabschnitte sanieren.

Stuttgart - Betonplatten dehnen sich bei anhaltender Hitze derart aus, dass die eingebauten Dehnfugen nicht mehr ausreichen und sich die Platten wölben. Sie türmen sich dann gegeneinander auf und brechen. Dadurch bilden sich regelrechte Höcker auf der Fahrbahn, die zu schweren Unfällen führen können. Ein Fall ging deutschlandweit durch die Medien: Auf der Autobahn bei Abensberg schanzte ein Motorradfahrer über eine Wölbung, die einen halben Meter aus der Fahrbahndecke herausragte. Er prallte gegen eine Leitplanke und starb noch an der Unfallstelle.

Derartiges will der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) unbedingt verhindern. Er hat angekündigt, sämtliche betroffenen Streckenabschnitte zu sanieren. „Wir werden nach einer umfassenden Zustands- und Schadenserhebung ein Erhaltungsprogramm für alle betroffenen Fahrbahnabschnitte aufstellen. Aus heutiger Sicht geht es um eine Fahrbahnerneuerung auf einer Gesamtlänge von rund 270 Kilometern“, so ein Sprecher des Ministeriums. Darauf hätten sich die Vertreter der Straßenbauverwaltung in den vier Regierungspräsidien mit dem Verkehrsministerium verständigt.

Im Schnitt entstehen bundesweit jährlich fünf bis sechs dieser Blow-Ups auf deutschen Autobahnen. Dieses Jahr waren es wegen des tropisch-warmen Sommers aber rund 30. Das erste Blow-Up in Baden--Württemberg trat Anfang Juli auf der A 5 bei Schwetzingen auf. Auch dort hielt eine Betonplatte der andauernden Hitze nicht stand, brach und wölbte sich. Das Ministerium verfügte deshalb eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 Stundenkilometern, die wieder aufgehoben wurde, als die Temperaturen zurück gingen. Motorradfahrer wurden gebeten, nach Möglichkeit Autobahnabschnitte mit Betondecke zu meiden.

Auch nachts nur 80 km/h

Im Land bestehen rund 40 Prozent der insgesamt 1054 Autobahnkilometer aus Beton, der Rest aus Asphalt, der sich wesentlich langsamer aufheizt. Asphaltfahrbahnen verformen sich sehr langsam, eine akute Gefahr besteht laut Ministerium nicht.

Eine Prioritätenliste, in welcher Reihenfolge die Abschnitte saniert werden, gibt es nicht. Die Platten würden dort ausgetauscht, wo ohnehin eine Sanierung oder ein Ausbau anstehe. Damit wird sich die Maßnahme über fünf bis zehn Jahre strecken.

In der Region Stuttgart ist nur der Abschnitt zwischen dem Stuttgarter Kreuz und Leonberg der A 8 betroffen. Im weiteren Verlauf drohen auf der A 8 keine Blow-Ups. Vor allem im Bereich der Schwäbischen Alb steigt die Temperatur in der Regel weniger stark an als etwa im Rheingraben. Aus diesem Grund hat das Ministerium auch den Vorschlag des Karlsruher Regierungspräsidiums (RP) abgelehnt, auf der A 5 das Tempolimit bei Nacht aufzuheben. Das RP wollte zur Sicherheit nachts Streckenkontrollen durchführen und hatte festgestellt, dass die Verkehrsteilnehmer gerade nachts weniger Verständnis für Tempo 80 hatten. „Wir werden den Vorschlag im Herbst in die zuständige Expertenrunde bei Bund und Ländern einbringen.“ Das Ministerium geht aber davon aus, dass bei anhaltender Hitze die Platten auch nachts aufgeladen bleiben und es auch da noch zu Blow-Ups kommen kann.

Bis die einzelnen Abschnitte saniert sind, wird auch in Zukunft wieder ein Tempo-80-Limit verfügt, wenn es an zwei und mehr Tagen wärmer als 30 Grad wird. Parallel wird ei Aktionsplan kurz- und langfristiger Maßnahmen erarbeitet. Kurzfristig sollen Asphaltflickstellen in Betondecken gegen neue Betonplatten getauscht werden, die aber benachbarte Betonplatten entlasten. In geschlossene Betondecken sollen über die gesamte Fahrbahn 50 Zentimeter breite Asphaltbänder eingelassen werden, die als überbreite Dehnfugen dienen.

Kosten liegen bei 300 Millionen Euro

Eine Dauerlösung ist das laut Ministerium aber nicht, weil sich die Betonplatten bei Hitze in den Asphalt schieben und dieser dann immer wieder abgefräst werden muss. Die entsprechenden Abschnitte werden deshalb regelmäßig gezielt kontrolliert. Die Kosten für das Gesamtpaket hat das Ministerium auf rund 300 Millionen Euro berechnet. „Der Preis ist der gleiche wie bei Neubauten – etwa eine Million Euro pro Autobahnkilometer“, so der Sprecher. Das wären bei 270 Kilometern 270 Millionen Euro, hinzu kommen Sonderkosten etwa für Brücken sowie die Preissteigerung über die Jahre.

Die Finanzierung sieht das Ministerium nicht als Problem, „sofern der Bund jetzt nicht massiv bei den Erhaltungsmitteln knappst.“ Die liegen derzeit bei 350 Millionen Euro pro Jahr für das Bundesfernstraßennetz in Baden-Württemberg.