Das Auto als Arbeitsplatz. Moderne Ausstattung und Kommunikationsmittel sind eine Arbeitser-leichterung, können aber auch eine Stressfalle sein. Reiner Pfefferle telefoniert nur im stehenden Wagen mit dem Handy. Während der Fahrt erlaubt die Technik Gespräche via Freisprecheinrichtung. Foto: privat

Beruflich viel unterwegs sind nicht nur Kraftfahrer und Außendienstmitarbeiter. Für viele Arbeitnehmer ist das Auto Arbeitsplatz neben dem Schreibtisch im Büro.

Marco Kascic (Name geändert) ist Kraftfahrer bei der Seifert Logistics Group in Ulm. Seit mehr als 20 Jahren sitzt der 47-Jährige täglich auf dem Bock. Seine Strecke: Ulm- Kattowitz in Polen. Reine Fahrtzeit: zehn Stunden. Für Pausen und wenn er Ladung aufnehmen oder abgeben muss, hält er vier- bis fünfmal. Meistens übernachtet er unterwegs einmal auf einem Rastplatz, ein gemütliches Bett hat er an Bord. 'Ich liebe es, an sonnigen Tagen die Landschaft an mir vorbeirauschen zu sehen. Von hier oben habe ich einen guten Überblick über die Straße und die Gegend', sagt Kascic. 'Vielfahrer sollten sich lange Strecken schön gestalten', sagt Cornelia Spangler von roots & wings Consulting. Dazu gehören der Blick aus dem Fenster und gemütliche Pausen.

Die Geschäftsführerin selbst nimmt gerne ein Hörbuch oder eine Musik-CD mit auf weite Fahrten. Denn Fahren bringt Stressfaktoren mit sich: die hohe Konzentration auf den Verkehr, die Sorge, in einen Stau zu geraten und zu spät zum Termin zu kommen. Viele Außendienstler oder Servicemitarbeiter nutzen die Zeit auch zum Telefonieren. 'Das ist zwar effizient, aber es muss auch Stunden geben, in denen der Fahrer nicht mehrere Dinge gleichzeitig tut, sondern sich entspannen kann', sagt Spangler. Wichtig sei es, den Arbeitstag sinnvoll zu strukturieren. Pausen, Telefonate und Zeiten zum Nachdenken sollten einander abwechseln und eingeplant werden. Moderne Technik erleichtert im Auto den Arbeitsalltag.

Über ein elektronisches System werden Marco Kascic neue Aufträge und Änderungen vom Disponenten direkt aufs Navigationsgerät geschickt. Auch Staus und Unfälle bekommt der Fahrer rasch gemeldet. Das Gerät berechnet dann automatisch die neue Route und Ankunftszeit. Und auch für den Kunden hat das Vorteile: Inzwischen kann der Auftraggeber fast in Echtzeit online abrufen, wo seine Lieferung gerade unterwegs ist, welche Kontroll- und Umschlagpunkte bereits passiert sind und ob die avisierte Ankunftszeit eingehalten wird. Geladen hat Kascics Lkw alles, was Seifert-Logistics-Kunden transportiert haben wollen: Industrieteile, Komponenten für den Autobau, Fensterscheiben für Fahrzeuge oder Kunststoffgranulate.

'Zum Sport komme ich leider zu wenig'

'Die Kommunikationstechnik im Wagen hilft uns, Arbeitszeit effizient zu nutzen', sagt Beraterin Spangler. Nur sollten sich Mitarbeiter nicht von der Technik versklaven lassen. 'Sie entscheiden, wann und ob Mails abgerufen werden sollten, und nicht der Internetzugang im Auto', sagt sie. Hat man nicht mehr das Gefühl, Herr der Lage zu sein, kann Erreichbarkeit zur Last werden. Als anstrengend empfindet Berufskraftfahrer Kascic seine Arbeit nicht. Nur wenn er stundenlang in einen Stau gerät, geht die Ungeduld manchmal mit ihm durch. 'Wenn der Rücken vom langen Sitzen kneift, halte ich an und mache eine Pause', sagt Kascic. Hat er sich einmal gereckt und gestreckt und einen Kaffee getrunken, kann die Fahrt weitergehen.

'Zum Sport komme ich leider zu wenig', bedauert der gebürtige Ulmer. Körperlicher Ausgleich ist für Spangler aber besonders wichtig: 'Mit einem kleinen Spaziergang die Gegend zu erkunden, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe.' Nicht nur werde der Kopf 'durchgelüftet', auch Körper und Seele kommen an. 'Es gibt ein Sprichwort, nach dem die Seele langsamer reist als der Körper. Man muss ihr also auch Gelegenheit geben nachzukommen', sagt Spangler mit einem Augenzwinkern. Allen, die viel im Auto sitzen, bieten Fahrerassistenzsysteme mehr Bequemlichkeit und Sicherheit. Von der Einparkhilfe bis zur Notruffunktion. Doch je mehr möglich ist, desto disziplinierter müssen sich Fahrer verhalten, findet Reiner Pfefferle, Niederlassungsleiter des Göppinger Autohauses Entenmann.

Der Autoexperte ist von vielen Funktionen überzeugt: auf der Autobahn den Tempomat auf 120 eingestellt, vermeidet der Abstandsregler zu dichtes Auffahren und beschleunigt automatisch, wenn wieder mehr Platz ist. 'Da fahre ich entspannter', kommentiert er. Die Technik als Entspannungs- und Luxusfaktor zu nutzen, empfiehlt auch Cornelia Spangler: 'Schalten Sie die Sitzheizung ein, lassen Sie sich Ihren Kaffee vom Getränkehalter servieren, und drehen Sie die moderne Stereoanlage auf.' Geradezu lebensrettend kann eine Notruffunktion sein.

Zwei Drittel der BMW-Kunden nutzen ihr Auto geschäftlich

Hat ein BMW einen Unfall, wird über Crash-Sensoren die BMW-Notrufzentrale informiert. Die meldet sich per Lautsprecher. Antwortet der Fahrer nicht, werden Polizei und Krankenwagen informiert. Über die Airbag-Sensoren im Sitz kann sogar die Personenanzahl ermittelt werden. In 80 Prozent der aktuellen BMW-Modelle ist diese Funktion serienmäßig eingebaut, für andere Fahrzeuge steht sie als Extra zur Verfügung. Da zwei Drittel der BMW-Kunden ihr Fahrzeug geschäftlich nutzen, baut der Hersteller unter dem Stichwort 'Connected Drive' seine Autos zu Kommunikationszentralen um, ähnlich wie bei Berufskraftfahrer Kascic und seinem System. So wird etwa durch einen Anruf die Route zu Porsche in Weissach auf das Navi geschickt und mit einem Knopfdruck aktiviert.

Restaurant, Hotelbuchung oder Theaterkarte - all das geht vom Auto aus. Damit der Fahrer sich weiterhin auf den Verkehr konzentrieren kann, ist die Sprachoption sinnvoll: Denn dann sucht der Fahrer nicht auf dem Display nach der Telefonnummer, sondern es heißt nur noch: 'Thomas Müller anrufen.' 'Wenn wir ein neues Auto ausliefern, kann es trotz Bedienungsfreundlichkeit schon ein, zwei Stunden dauern, ehe wir wichtige Funktionen erklärt haben', so der Göppinger Niederlassungsleiter. Auch Folgeberatungen gehören zum Alltag. Gerade weil Fahrerassistenzsysteme viele 'Spielmöglichkeiten' bieten, sorgen die Hersteller für Beschränkungen: Das Handy kann nur in einem stehenden Fahrzeug eingeloggt werden. Trotzdem rät Pfefferle allen Fahrern zur Selbstdisziplin.