Der britische Brexit-Minister David Davis (l.) und Chefunterhändler der EU Michel Barnier EU-Chefunterhändler Michel Barnier (r.) und Brexit-Minister David Davis Foto: AP

Bei der zweiten Gesprächsrunde zwischen der EU und London gab es keinen Durchbruch – auch weil das britische Verhandlungsteam sich seiner Positionen selbst nicht ganz sicher schien. Nun könnte der Zeitplan durcheinander geraten.

Brüssel - Eigentlich sollten die Brexit-Verhandlungen diese Woche so richtig losgehen. Nach dem eintägigen Auftakt im Juni hatten sich der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, und sein Gegenüber auf britischer Seite, Brexit-Minister David Davis, vier Tage Zeit für die ersten vertieften inhaltlichen Gespräche genommen. Davis brachte einen Stab von insgesamt 98 Mitarbeitern mit. Doch am Ende, als die beiden in Brüssel vor die Presse traten, standen sie mit leeren Händen da. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt hatte der eine den britischen Union Jack neben sich, der andere die EU-Fahne mit den zwölf Sternen. Der Franzose Barnier sagte, die Gespräche seien gekennzeichnet gewesen von gegenseitigem Vertrauen; man habe auch Fortschritte gemacht. Was man nach politisch schwierigen Gesprächen eben so sagt. Der Brite David Davis deutete immerhin Differenzen an, als er von „robusten, aber konstruktiven Verhandlungen“ sprach.

Barnier fasste später in nüchternen Worten zusammen: „Nachdem wir uns bei unserem ersten Treffen auf die Agenda der Gespräche verständigt haben, ging es nun darum, dass beide Seiten ihre Sicht auf die Probleme darstellen konnten.“ Auf der Tagesordnung standen drei Fragen: Akzeptiert London die Milliardenforderungen der EU wegen des Brexits? Können Kontrollen an der Grenze von Nordirland zu Irland vermieden werden? Und wie werden die Rechte von 3,2 Millionen EU-Bürgern geschützt, die auf der Insel wohnen?

Großbritannien soll „seine Rechnungen bezahlen“

Substanzielle Verhandlungsfortschritte konnte Barnier in keinem der Bereiche erkennen. Vor allem mit Blick auf die Rechte der EU-Bürger sehe er fundamentale Unterschiede. Die britische Seite will nicht akzeptieren, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Streitfall zuständig sein soll. Davis wich aus. Er lobte lediglich das eigene britische Angebot, es sei „fair und ernsthaft“.

Ebenfalls heikel ist die Geldfrage: Die EU fordert von Großbritannien eine Geldzahlung im zwei- bis dreistelligen Milliardenbereich. Gehandelt werden Summen zwischen 40 und 100 Milliarden Euro. Damit soll London für die finanziellen Verpflichtungen aufkommen, die das Vereinigte Königreich in seiner Zeit der Mitgliedschaft in der EU eingegangen ist: Pensionszahlungen für EU-Beamte sowie laufende EU-Vorhaben, die bei einem Austritt im März 2019 nicht abgeschlossen sind. Auch in diesem Bereich zeigte Barnier sich unzufrieden: Die Gegenseite habe zwar anerkannt, dass es Zahlungsverpflichtungen gebe. Bei der nächsten Verhandlungsrunde Ende August müsse London aber Klarstellungen liefern. Barnier sagte: „Wir wollen einen geordneten Austritt, und ein geordneter Austritt verlangt, dass Großbritannien seine Rechnungen bezahlt.“

Der Zeitplan gerät ins Wanken

Brüssel hatte beim Thema Geld in der Vorwoche den Druck erhöht. Zuvor hatte der britische Außenminister Boris Johnson mit der flapsigen Bemerkung die finanziellen Ansprüche der EU vom Tisch gewischt. Barnier hatte daraufhin gefordert, dass London zumindest förmlich seine Zahlungsverpflichtungen anerkennt. Davis sprach jetzt aber nur davon, dass London zu seiner „Verantwortung“ stehe, über Nettozahlungen wolle er nicht reden.

Davis lobte indes die Gespräche zum künftigen Status von Nordirland. Es habe dazu eine „gute Diskussion“ gegeben. Barnier zeigte sich auch hier reserviert: Brüssel brauche weitere Informationen, um zu verstehen, welche Pläne Großbritannien für Nordirland habe.

Der weitere Zeitplan sieht jeweils mehrtägige Verhandlungsrunden im August, September und Oktober vor. Mitte Oktober kommen dann alle 28 Staats- und Regierungschefs der EU zu ihrem regulären Herbstgipfel in Brüssel zusammen. Ursprünglich sollten bis dahin genügend Fortschritte erzielt werden, um neue Themengebiete zu öffnen. Die EU ist etwa erst bereit, über die Gestaltung der künftigen Handelsbeziehungen zu reden, wenn es substanzielle Fortschritte bei den Streitthemen Geld, Nordirland und EU-Bürger im Königreich gibt. Derzeit deutet viel darauf hin, dass die Verhandlungen dafür zu langsam vorangehen. Inzwischen räumt selbst die britische Seite ein, dass die Zeit drängt. Davis benutzte dafür bei seinem Auftritt eine Formulierung, die Barnier zuvor geprägt hatte: „Die Uhr läuft.“