Das Bundesverfassungsgericht bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe Foto: dpa

Lange ist über die Bedingungen für den Atomausstieg gestritten worden. Jetzt hat das Verfassungsgericht ein kompliziertes Urteil gesprochen, mit dem alle Beteiligten leben können.

Berlin - Leicht machen es die Verfassungsrichter den Bürgern nicht, ihr jüngstes Urteil über die Verfassungsmäßigkeit des Atomausstiegs zu verstehen. Aber Verständlichkeit ist auch nicht die Hauptaufgabe der höchsten Richter der Republik. Ihre wichtigste Pflicht ist es, in der schwierigen Abwägung zwischen Gemeinwohlinteresse, politischer Handlungsfreiheit von Regierung und Parlament und den Eigentumsrechten der Kernkraftwerksbetriebe eine präzise, verfassungsgerechte Linie zu ziehen.

In seinen wichtigsten Kernbotschaften ist das Urteil klar: Erstens durften Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat nach dem Reaktorunglück von Fukushima so handeln und den beschleunigten Atomausstieg beschließen, obwohl ein Jahr zuvor erst erhebliche Laufzeitverlängerungen beschlossen worden waren. Zweitens greift es grundsätzlich in die verfassungsmäßig garantierten Eigentumsrechte ein, dass die Energieversorger die Kernkraftwerke deshalb in wesentlich geringerem Umfang zur Stromerzeugung nutzen durften und dürfen, als der Gesetzgeber zuvor signalisiert ist.

Dieser Eingriff ist aber nicht so substanziell, dass er einen generellen Entschädigungsanspruch begründen würde. Nur in zwei Fällen und mit sehr vielen, im Urteil klar benannten Einschränkungen gibt es einen Entschädigungsanspruch. An dieser Stelle muss der Gesetzgeber nun bis zum 30. Juni 2018 nachbessern.

Alle Seiten können mit dem Urteil leben

Politisch trägt diese Urteil zur Befriedung im jahrzehntelangen Streit um die Atomkraft bei. Sowohl Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat als auch die Energieversorger können damit leben. Die Politik – und vor allem die Kritiker der Kernenergie und der Kraftwerksbetreiber – müssen akzeptieren, dass die Klagen der Unternehmen zum Schutz ihrer Eigentumsrechte keine Unverschämtheit, sondern berechtigt waren. Partiell ist die Forderung nach Entschädigung begründet.

Die vier betroffenen Unternehmen müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Staat ihnen mit der Entscheidung für die Beschleunigung des Atomausstiegs keine generell unzumutbare Härte zugefügt hat, und sie ihre Hoffnung auf einen Milliardenregen begraben müssen. Alle Beteiligten sind gut beraten, das Urteil nun genau zu studieren und sich in den Einzelfällen, bei denen es überhaupt um eine Entschädigung geht, gedeihlich zu verständigen.