Aus der Reihe von Schmids Kickboxer-Porträts Foto: Foto: Steffen Schmid

Was passiert, wenn ein Renaissance-Künstler ein Selbstbildnis malt und es anderen zeigt? Und was, wenn Kickboxer zu Tänzern werden? Ausstellungen von Sami Lukkarinen und Steffen Schmid suchen Antworten.

Stuttgart - Das Selfie der digitalen Gegenwart ist für den finnischen Maler Sami Lukkarinen nur die historische Konsequenz der ewigen Sehnsucht, selbst das eigene Ich zu verstehen.

Selfie-Star Albrecht Dürer

Und so ist es nur konsequent, wenn Lukkarinen in der aktuellen Schau seiner Werke in der Galerie von Braunbehrens in Stuttgart den Bogen zurückschlägt bis in die Renaissance – mitten hinein in die Diskussion um die freiheitliche Einzigartigkeit jedes Menschen. „Bei Albrecht Dürer “, sagt Lukkarinen, „wollte ich seine moderne Selfie-Haltung zeigen: zuerst malt er sich als jungen Künstler, dann mit Fantasie-Kostüm und schließlich als Jesus! Das alles bevor er 30 Jahre alt wurde.“

Pixel werden Ölfarbpunkte

Ganz bewusst nimmt Lukkarinen indes die Dürer-Selbstporträts als digitale Bildstruktur. Die Pixel bestimmen die Punktrasterung der Malerei. „Bevor ich anfange zu malen“, sagt Lukkarinen, „mache ich einen verpixelten Ausdruck des Digitalfotos und male es Feld für Feld in Öl auf die Leinwand“. Effekt für die Betrachter: Aus der vermeintlich richtigen Nähe verschwimmen die Porträts zur puren Farbmalerei.

Hommage an Marylin Monroe

Lukkarinen hat Erfolg. Und doch sehnt man sich nach Brüchen in dieser Bildwelt, nach jenen Abgründen, die der Maler in Gesprächen über Kunst präzise identifiziert. Und so sind es im Braunbehrens-Panorama „Albrecht, Marylin and I“ neben den in feinen Graustufen gehaltenen Annäherungen an die junge Marylin Monroe gerade die kleineren Formate mit Porträts von Freunden des Künstlers, die auch malerisch in Erinnerung bleiben.

Info:

Sami Lukkarinen in der Galerie von Braunbehrens in Stuttgart (Rotebühlstraße 87, Di-Fr 11-18, Sa 11-16 Uhr). www.galerie-braunbehrens.de

Produzent des öffentlichen Ichs

Der Stuttgarter Fotograf Steffen Schmid produziert jenes öffentliche Ich mit, das der Maler Sami Lukkarinen mit seinen in der Galerie von Braunbehrens zu sehenden Ölporträts malerisch befragt. „Helden wie wir“ ist die aktuelle Schmid-Schau in den Räumen der Ruoff-Stiftung in Nürtingen betitelt.

Die Erfindung Pop-Star

Die zunächst auffälligsten Werke sind Schmids Konzert-Szenen. Tomo Pavlovic schrieb zu diesen in der Wochenendbeilage unserer Zeitung: „Dem Irrtum, dass eine Fotografie das Wesen eines Menschen, zumal eines Popstars, bloßlegen könne, gleichsam in dessen Seele vordringe, ist Steffen Schmid nie aufgesessen. Pop ist Pose. Und Pop ist Pathos. Welch ein Glück, wenn der Augenblick zur Ewigkeit wird, man als entrückter Fan der Lichtgestalt und der Inszenierung Beifall spendet und eins wird mit der Illusion.“

Annäherung als Analyse

Und weiter notierte Pavlovic: „Indem Schmid die Künstlichkeit durch die Wahl des Bildausschnitts und der Lichtquellen überhöht, legt er das Wesen der Stilisierung erst frei.“

Künstlergespräch an diesem Sonntag, 5. November

Gilt dieses „Freilegen“ auch für die Annäherungen an Familienporträts, an (scheinbare) Momentaufnahmen von Besuchern der Ruoff-Stiftung, an die Bundesligahandballer des TVB Stuttgart oder an die Helden der Kickboxszene? Schmids Arbeiten legen es nahe – und stellen so die Frage, wann, wo und wie das öffentliche Ich eigentlich beginnt. Auch dies wird wohl Thema sein, wenn Steffen Schmid zum Finale seiner Schau an diesem Sonntag um 11 Uhr zum Künstlergespräch in die Ruoff-Stiftung kommt.

Info:

Steffen Schmid in der Ruoff-Stiftung in Nürtingen (Schellingstraße 12, Do 15-18, So 11-15 Uhr). Mehr: www.ruoff-stiftung.de