Die kleinformatigen Bilder von Matthias Schömer sind analog fotografiert und dann ausgedruckt. Foto: Sybille Neth

Der Fotograf und Filmemacher Matthias Schömer reist immer mal wieder in Krisenregionen, weil er die Atmosphäre dort einfangen will. Seine Arbeiten sind jetzt im Retox zu sehen.

Stuttgart - It only happens once“, dass jeder Augenblick einzigartig ist, nimmt Matthias Schömer bei seinen fotografischen Arbeiten wörtlich: Der Stuttgarter arbeitet ausschließlich analog. „Ich gebe mir höchstens zwei Chancen für ein Bild“, sagt er. „Ich konzentriere mich auf einen Moment, dann auf den nächsten.“ Aber Schömer kann nicht nur professionell mit der Kamera umgehen, er besitzt auch ein fotografisches Gedächtnis. Auch nach Jahren erinnert er sich an die Momente, die er fotografiert hat. „Außerdem führe auf Reisen immer ein Tagebuch.“ Wenn die entwickelten Filme aus dem Labor zurückkommen, liebt er den Überraschungseffekt. „Wenn dann ein Foto über- oder unterbelichtet ist, dann habe ich Pech gehabt.“

Schömers Bilder sind bis Samstag im ehemaligen Retox Liquor Store am Rosenbergplatz 2 zu sehen, der jetzt vom Künstlernetzwerk Brightzeit als Concept-Store für Lesungen, Ausstellungen und andere Events zur Verfügung gestellt wird. Zu sehen sind Schömers feine Beobachtungen, aber auch Tristesse pur zeigen die jetzt in seiner ersten Verkaufsausstellung präsentierten Bilder. „In meinem Fundus finden sich gerade mal zwei fröhliche Bilder“, erzählt er. Die Bilder seiner dritten Ausstellung zeigen festgehaltene Augenblicke von Reisen nach Albanien, in die Ukraine, nach Tschernobyl, Hiroshima, Kyoto und Tokyo. Aus der japanischen Metropole stammen auch die beiden einzigen Farbbilder der Ausstellung. Dies wird allerdings erst auf den zweiten Blick bewusst, denn auch hier spielt der Fotograf mit Hell-dunkel-Effekten einer Nebenstraße, fernab der blinkenden Neonreklamen.

„Meine Bilder sind sehr traurig und melancholisch“, beschreibt Schömer seine Arbeiten selbst. Sie stammen aus Katastrophengebieten: zum Beispiel aus der Geisterstadt Tschernobyl. Nach der Reaktorkatastrophe leben dort immer noch 3000 Einwohner. „Mich reizt es, die Atmosphäre an solchen Orten aufzuschnappen und zu erfahren, wie das Leben dort ist“, sagt er. Aus einem verlassenen Krankenhaus dort stammt eines seiner morbidesten Fotos. Es zeigt verstaubte, irgendwie verwest wirkende Arztkittel, von denen sich scheinbar einer auf dem Fußboden entlang bewegt. „Solche Motive würden in Farbe nie funktionieren“, erklärt er. „Bei Schwarz-Weiß konzentriert sich der Betrachter auf die Hell-Dunkel-Bereiche.“ Um die zu betonen, wählt er sein Filmmaterial entsprechend aus. Im Handel vor Ort ist es so gar nicht mehr erhältlich. An der Digitalfotografie stört Schömer das cleane Aussehen. „Bei den analogen Aufnahmen lebt das Bild durch das körnige des Filmmaterials.“

Seine mysteriös gestalteten Bilder sind Schömers Hobby. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich mit seiner eigenen Produktionsfirma für Werbefilme. Außerdem ist er in der Branche als Regisseur und Produzent tätig. „Auch da arbeite ich artifiziell und versuche meine Handschrift reinzubringen.“ Das ist dem 31-Jährigen wichtig.