Gülcin Vomhoff war mit leichtem und lockerem Blick im Ort unterwegs. Foto: Georg Linsenmann

Mit „Stammheim mit offenen Augen“ präsentiert Gülcin Vomhoff eine aparte Ausstellung im Bezirksrathaus.

Stammheim - Mit rund 50 Arbeiten klettert die Schau das ganze Treppenhaus hoch, bis zur Abteilung „Materiallager“, wo mit einem Foto von geschlossenen Fensterläden buchstäblich „Feierabend“ ist. Dazwischen aber gibt es eine Menge zu sehen, auch bei einem satt bestückten Zwischenstopp im Sitzungssaal. Im Grunde ein einziges Materiallager: lauter visuelle Fundstücke, die Gülcin Vomhoff bei ihren Streifzügen durch und um den Ort herum gemacht hat. Die diplomierte Designerin war dabei buchstäblich mit „offenen Augen“ in ihrem Wohnort unterwegs, freilich mit einem ganz eigenen Blick.

Lokale Ecken, Ansichten und Details zu entdecken, das macht dann auch den einen Reiz dieser Schau. Zumal Vomhoff ganz offensichtlich mit sympathischen Gefühlen unterwegs war. Oder, wie sie bei der Vernissage meinte: „Stammheim ist nicht nur Gefängnis. Es gibt auch andere schöne Ecken.“ So leicht und locker hat sie sich auch „auf den Flecken eingelassen“ – und mit entsprechendem Witz in den Ergebnissen. Vor allem in den Fotografien, die die Hälfte der Ausstellung füllen.

Das Offensichtliche wird zu etwas Überraschendem

Das spannende Detail, der extreme Ausschnitt, das verblüffende Zusammensehen sind die große Stärke dieser Fotos. Wobei Vomhoff schon Dachlandschaften oder von Rost durchwachsene Gitterfensterchen einer Haustür mit den Augen der Grafikerin und Malerin betrachtet. Farbe, Strukturen, Linien zeigen sich plötzlich als offenbare „Bildkomposition“: Wahrnehmungspartikel aus der visuellen Umgebung werden zu Stimulanzien der bildnerischen Fantasie und Gestaltung. Das Offensichtliche wird zu etwas Überraschendem, der künstlerische Blick fügt dem Abbildhaften der Realität etwas hinzu, sodass die Fotos auch für sich selbst stehen, losgelöst vom lokalen Kontext. Dies ist dann auch deren eigentliche Qualität.

Es ist die bezaubernde Offenheit der Wahrnehmung, die ein wenig an die Freiheit der Fantasie von Kindern erinnert, die in den bewegten Wolkenhimmel schauen und im weißgrauen Geschiebe alles Mögliche sehen. Tiere vorneweg. Bröselstrukturen im Asphalt: „Den Stiefel ziehe ich mir nicht an“; Schwarz-weiß-Strukturen, die durchfallender Schnee auf einem Gulli-Rost hinterlässt: „Schneehund“. Bruchstellen im Verputz: „Ist das ein Ferrari?“ Jedenfalls kein Porsche, eher der Schädel eines Urtieres. Oder man suche mal den „Paketdienst“ zwischen Stadtbahnschienen. Oder „Zwei Treppen“, „Das blaue Band“, „Die gepuderte Nase“, „Das Große im Kleinen“, den „Straßenengel“: ein gewitzter Spaß mit Mehrwert.

So geht es sich gerne und leicht durch den Ort

Primär künstlerisch ist der Impuls erst recht bei den malerischen Arbeiten, auch diese alle im vergangenen Jahr entstanden. Eine ganze Serie „verrückter“, farbkräftig leuchtender Perspektiven zur U15. Oder farbfrische Stadtbilder eigener Art und Atmosphäre, dazu landschaftliche Impressionen oder ein extrem hochformatiges Jahreszeiten-Quartett. Ein schlankes Format, das auch den Ausschnitt von Bildern wie „Korntaler Straße“ oder „Jugendfarm“ dramatisiert. Gelegentlich zeigen die Bilder in Acryl zeichnerische und grafische Eingriffe oder werden zur Collage mit Fotos. Durchaus malerisch ambitionierte Bilder, bei denen Vomhoff über verschiedene Techniken gebietet: ganz flächig, pointilistisch, impressionistisch. Ein wenig lässig geht sie zwischendurch mit Weiß um, wenn sie es etwas oberflächlich zur schnellen Höhung nutzt. Im Ganzen aber gefallen diese Arbeiten auch durch sorgfältige Farbmodulation und einen sehr durchdachten Bildaufbau. Und sie bieten, was auch die Fotos bieten: Lebensfreude pur. So geht es sich gerne und leicht durch den Ort! „Stammheim mit offenen Augen“: ein Blick, der bereichert.

Die Ausstellung im Bezirksrathaus, Kornwestheimer Straße 5, ist noch bis 15. September zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen: Montag bis Freitag von 8.30 bis 13 Uhr, Dienstag von 14 bis 16 Uhr und Donnerstag von 14 bis 18 Uhr.