Das Bild „Tiergarten“ von Uta Ostertag schmückt die Leseecke der Stadtteilbibliothek im Kulturzentrum am Bahnhofsvorplatz. Foto: Susanne Müller-Baji

Uta Ostertag und Ursula Hartl zeigen ihre Werke im Kulturzentrum in Zuffenhausen und beweisen dabei Beobachtungsgabe. Die Ausstellung „Trigger“ ist noch bis 30. September zu sehen.

Zuffenhausen - Ein neues großformatiges Bild ziert die Leseecke der Stadtteilbücherei und kaum jemand, der es betrachtet, kann sich das Schmunzeln verkneifen: Mehrere Eisbären zeigt es und zwei Zoobesucher: Ihr Kleid ist ein wenig zu eng und er hat seine rot-gelbe Plastiktüte dabei. Man schaut und fragt sich, wer betrachtet hier wen: Die Menschen die Bären oder die Bären die Menschen? Und dann sieht man sich unwillkürlich um, weil man mit einem Mal das Gefühl hat, selbst Teil eines noch größeren Bildes zu sein.

Möglich wäre das, denn die Stammheimerinnen Uta Ostertag und Ursula Hartl sind beide auch „Urban Sketchers“. Das ist eine mittlerweile weltumspannende Bewegung, die es sich auf die Segel geschrieben hat, in ihren Zeichnungen Menschen und ihr Lebensumfeld einzufangen und zu dokumentieren. Mit der Stuttgarter Urban Sketcher Gruppe (Stusk) gehen sie einmal monatlich auf Motivsuche und auf der Facebook-Seite der Gruppe stellen sie außerdem auch die Ergebnisse ihrer sonstigen künstlerischen Streifzügen ein.

Ungewöhnliche Blickwinkel

Darunter finden sich auffallend viele Stammheim-Motive und viele ungewöhnliche Blickwinkel. „Das Schloss habe ich mal gezeichnet, auch die Kirche, vom Dach des Altenheims aus“, zählt Ursula Hartl auf: „Aber die Uta Ostertag geht beinahe jeden Tag zeichnen.“ „Wir sind hier vor Ort und dann beschäftigt man sich halt damit“, sagt diese. Ihre Motive findet sie praktisch überall, zeichnet auch mal heimlich die Mitreisenden in der U-Bahn. Jüngstes Betätigungsfeld für die beiden Künstlerinnen: das Frühlingsfest. „Ideal zum Menschen-Zeichnen“, hat Ostertag dazu gepostet.

So viel Beobachtungsgabe ist auch in der Zuffenhäuser Werkschau unübersehbar: Kunstpädagogin Maria Speck dachte zur Eröffnung am Donnerstag über den Ausstellungstitel „Trigger“ und seine Bedeutungen nach – vom Auslöser einer psychosomatischen Reaktion bis zum Abzug einer Waffe. Was genau bewegt einen Künstler also, zum Zeichenstift zu greifen? Während Uta Ostertag ihre Motive im Alltag entdeckt, zeigt Ursula Hartl im Lernstudio auch Reisebilder, amerikanische, irische und schottische Landschaften. Und im Bild „Was bleibt“ kommunizieren ihr Vater und ihre Enkelin quasi über zwei Generationen hinweg. Alles andere, die Erinnerungen, das gelebte Leben, verwischt im Vergleich dazu.

Beschäftigung mit der Kunst erst seit dem Ruhestand

Kaum zu glauben, dass sich die beiden Frauen erst seit einigen Jahren, seit ihrem Ruhestand, intensiv mit der bildenden Kunst beschäftigten – und dabei einfallsreiche Wege einschlagen: So sind sie beide Gasthörerinnen an der Ludwigsburger Pädagogischen Hochschule im Kurs für große Formate in Acryl, dessen Dozent sie auch zum „Urban Sketching“ brachte. Der Austausch mit den Studenten sei ausgesprochen fruchtbar, erzählt Ostertag, und führte letztendlich auch zum ungewöhnlichen Format des „Tiergartens“. „Das Triptychon erschien uns als zu sakral“, sagt Ostertag. Also wurden vier Teile daraus, die aber das charakteristische Klappelement aufweisen.

Indessen sind beide schon wieder auf Motivsuche: Ursula Hartl war beim Stusk-Treffen am Sonntag rund um den Hochbunker auf dem Pragsattel, Uta Ostertag ist bei einer Stusk-Zeichenexkursion in Spanien. Motive rund um das Sehen und das Gesehen-Werden werden wohl beide mitbringen.

Info Die „Trigger“-Ausstellung ist bis 30. September im Kulturzentrum am Bahnhofsvorplatz, Burgunder Straße 32, zu sehen. Die Stadtteilbibliothek hat dienstags bis freitags von 11 bis 19 Uhr geöffnet und samstags von 10 bis 14 Uhr, das Lernstudio dienstags bis freitags von 15 bis 19 Uhr. Weitere Zeichnungen gibt es auf der Facebook-Seite „Urban Sketchers Stuttgart“.