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Digitale Kunst und gute alte Handarbeit. In der Schwerpunktgalerie des Leibniz-Gymnasiums zeigen Illustratoren ihre Arbeiten

Stuttgart-Feuerbach - Mal kämpft Beowulf gegen Drachen, mal erklären die Exponate, wie man die Sache mit der emotionalen Erpressung am besten hinbekommt. Einige von ihnen sind typische Kinder des digitalen Zeitalters, andere in guter alter Handarbeit entstanden: Die Ausstellung „Tell a Tale“ in der Schwerpunktgalerie des Leibniz-Gymnasiums zeigt aktuelle Tendenzen der Illustration und macht sehr viel Spaß.

„Tell a Tale“ („Erzähl’ eine Geschichte“) ist die Werkschau überschrieben – und gute Illustrationen erzählen und verdeutlichen Inhalte. Sie berichten von Münchhausens Abenteuern, wie sie Lev Kaplan aus Giebel altmeisterlich in Bilder gefasst hat, oder von Beowulfs Heldentaten, gesehen mit den Augen von Natalie Dombois. Eine außergewöhnliche Illustration kann aber mehr: Sie nimmt den erzählerischen Faden auf und spinnt ihn weiter. Dombois holt Altbekanntes in die Gegenwart, mit Fantasy- und Manga-Elementen. Und Kaplan outet den Lügner auf jeder Seite. Denn der Baron ist nie wirklich kenntlich, taucht mal als Kanonenkugel mit weißer Perücke auf, mal in der Rückenansicht.

Ausgesprochen heiter wird der Rundgang bei Ramona Wultschner

Und so macht jeder der gezeigten Illustratoren sein Ding: Die Sportillustrationen von Joakim „Jouak“ Riedinger nehmen etwa die Bewegung beim Basketball auf, das Antäuschen und Ausweichen. Äußerst dynamisch stürzt sich auch Indiana Jones durch das Format. Véronique Stohrer schafft digitale Collagen, die an die 80er Jahre und ihre ganz eigene Bildästhetik denken lassen. Maren Profke zeigt hingegen das exakte Gegenteil: Aus Aquarell-Farbklecksen leicht hingeworfene Schäfchen, die über imaginäre Zäune hüpfen. „Das sind eigentlich Fingerübungen“, erzählt sie: „Die mache ich zum Aufwärmen, bevor ich an die Arbeit gehe.“

Ausgesprochen heiter wird der Rundgang bei Ramona Wultschner. Sie arbeitet mit „Sketch Notes“, einer Kombination aus Zeichnung und geschriebener Notiz. In einigen geht es um kleine Gaunereien, um „Emotionale Erpressung“ oder auch das als „Aktives Anstehen“ beschriebene Vordrängeln an der Kasse. Inspiriert habe sie dazu ihr Bruder, sagt sie und lacht: „Der kommt immer mit allem durch, während ich mich an die Regeln halte.“ Was als Abschlussarbeit begann, ist gerade unter dem Titel „Durchtrieben durch den Alltag – die Schurkenstrategie“ erschienen – das Gefühl, wenn man das fertige Buch in Händen halte, sei unschlagbar.

Live-Zeichenaktionen von Lea Dohle

Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung stammt von Katharina Bourjau, auch dies eine Abschlussarbeit. Ihre stark auf drei Farben reduzierten Tafeln wirken zunächst wie fernöstliche Bildzitate, bis einem die Motive bei genauer Betrachtung erstaunlich bekannt vorkommen: Sie hat die Sagenwelt ihrer Heimat Tegernsee gesammelt und niedergeschrieben und durch ihre Illustrationen in die Gegenwart geholt. Es entstand das Buch „Von Beisswürmern und Irrwurzeln“, das auch aufzeigt, wie viel Spannendes im Alltag verborgen liegt. Illustration als Augenöffner.

Eröffnet wurde die Werkschau zur Feuerbacher Kulturnacht mit Live-Zeichenaktionen von Lea Dohle, die schnelle Porträts von den Gästen fertigte. Sie fasst zusammen, warum die Zeichnung in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung erfahren hat – immerhin schaffen es Illustrationen nun sogar wieder auf die Cover großer Magazine: „Wir sind ja so überflutet: Jeder kann mit seinem Handy fotografieren und ein paar Filterchen drüber legen. Diese Sehnsucht nach dem Anderen, von Hand gefertigten kommt uns nun sehr gelegen.“ Und beschert dem Besucher überdies eine sehr gelungene Ausstellung.