Zeitungen aus der NS-Zeit sind ein Teil der neuen Ausstellung von Martin Häußermann und Kollegen im Staatsarchiv. Foto: factum/Granville

Eine Ausstellung im Ludwigsburger Staatsarchiv beschäftigt sich mit der Rolle der Presse während der Nazi-Zeit: Zeitungen wurden gleichgeschaltet, kritische Blätter verboten. Zu sehen sind auch Ausgaben der „Ludwigsburger Zeitung“ aus diesen Jahren.

Ludwigsburg - Spontane Demonstrationen gegen die Juden“: unter dieser Überschrift veröffentlichte die „Ludwigsburger Zeitung“ am 11. November 1938 einen Artikel über die Anschläge auf die Synagogen in Ludwigsburg und Freudental. Obwohl ein wütender Mob unter Anleitung von NSDAP-Parteikadern das Gotteshaus in der Innenstadt zunächst plünderte und später in Brand setzte, schrieb der unbekannte Autor in dem Artikel: „Der Volkszorn übte Vergeltung.“ Vergeltung für den feigen Anschlag des „Mordbuben“ Herschel Grynszpan auf den deutschen Botschafter von Rath in Paris.

Trotz dieser eindeutig tendenziösen Berichterstattung sei die „Ludwigsburger Zeitung“ 1938 aber ein vergleichsweise gemäßigtes Blatt gewesen, sagt Peter Müller. Der Leiter des Ludwigsburger Staatsarchivs hat sich für die neue Ausstellung, die an diesem Freitag öffnet, mit der Rolle der Presse während der Nazi-Diktatur beschäftigt. „Zwischen den Zeilen?“ heißt die Schau, die Teil einer Ausstellung der Berliner Stiftung „Topografie des Terrors“ ist. Für einen regionalen Bezug haben sich Müller und seine Kollegen aber auch im eigenen Archiv umgeschaut. Dabei haben sie die Entnazifizierungsakten von rund 40 Journalisten und Verlegern aus der Region entdeckt, so auch die von Gerhard Ulmer. Der Verleger der „Ludwigsburger Zeitung“ (heute „Ludwigsburger Kreiszeitung“) hatte von 1938 an massive Probleme, seinen Betrieb weiterzuführen. Er hatte sich privat kritisch über das Regime geäußert.

Akten von rund 40 Journalisten und Verlegern sind online

Damit war Ulmer gleichwohl nur einer unter mehreren, das zeigt die Ausstellung deutlich. Bereits 1933 hatten die Nazis begonnen, kritische Zeitungen zu verfolgen und zu verbieten. Durch das Schriftleitergesetz, das 1934 in Kraft trat, wurden die Journalisten de facto auf Loyalität zum Regime eingeschworen, jüdische Journalisten wurden aus der Reichspressekammer ausgeschlossen. Viele Verlage wurden enteignet und unter dem Hitler-Getreuen Max Amann im Franz-Eher-Verlag zusammengefasst. Von ehemals rund 4000 Zeitungstiteln in der Weimarer Republik waren 1943 noch etwa 1000 Titel übrig – in Berlin erschien 1945 gar keine Zeitung mehr. Die Wahrheit, so eine These der Ausstellung, konnten die Schreiber, wenn überhaupt, nur zwischen den Zeilen unterbringen.

Auch auf anderen Wegen kämpften die Nazis um die öffentliche Meinung: Das antisemitische Hetzblatt „Der Stürmer“ von Herausgeber Julius Streicher sprach ein eher ländliches Publikum an, die Zeitschrift „Das Schwarze Korps“ als Propaganda-Organ der SS war eher für eine urbane Leserschaft gedacht.

Propagandakompanien berichteten von den Schlachten

Die Macher der Ludwigsburger Ausstellung haben sich auch mit der Rolle der sogenannten Propagandakompanien beschäftigt. Diese Einheiten der Wehrmacht bestanden aus Journalisten, Fotografen und Reportern. Für Medien im ganzen Land schilderten sie die Schlachten der Krieges. Ein Mitglied dieses Propagandakorps war der junge Journalist Hans Bayer aus Bad Cannstatt. Bayer, der später als Thaddäus Troll zumindest regionale Berühmtheit erlangen sollte, berichtete nicht nur vom Russland-Feldzug, er beschrieb zum Beispiel auch das Leben im Warschauer Ghetto – antisemitisch, wie Peter Müller vom Staatsarchiv sagt.

Info: Öffnungszeiten und Vorträge

Ausstellung:
Die Schau im Staatsarchiv läuft bis zum 18. März. Sie ist geöffnet von Montag bis Freitag je von 9 bis 16.30 Uhr, samstags von 9 bis 15.30 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Informationen zu Führungen gibt es unter Telefon 0 71 41/18 63 10.

Reihe:
Zusätzlich veranstaltet der Förderverein der Zentralen Stelle mehrere Vorträge zum Thema: am 12. Januar, am 2. und 16. Februar sowie am 1. März. Beginn ist jeweils um 19 Uhr, der Eintritt kostet fünf, ermäßigt drei Euro.