Jungfotografen erkunden ihre Welt sehr genau: Wie sieht so ein Lastwagen eigentlich von unten aus? Foto: Bildungsstiftung Element-i

Für ein gutes Foto legen sich Kinder schon mal flach auf den Bauch. Eine Ausstellung im Stuttgarter Rathaus zeigt, wozu die jungen Kamerakünstler schon fähig sind.

S-Mitte - Kinder sehen die Welt mit anderen Augen. Das liegt vordergründig schon daran, dass sie klein sind und deshalb eine andere Perspektive haben. Im ersten Stock des Rathauses, just vor der Tür des Büros der Kinderbeauftragten Maria Haller-Kindler sind bis zum 8. Oktober die preisgekrönten Arbeiten aus verschiedenen Fotoworkshops Bildungsstiftung Element-i aus dem vergangenen Jahr ausgestellt.

Erstaunlich ist dabei, dass der Kinderblick die Kleinigkeiten am Rande liebt. Ganz nah dran waren die Kinder mit ihren Kameras und viele haben fotografiert, was sonst übersehen wird: Die Eintagsfliege auf einem Blatt, eine Spinne in ihrem Netz oder die Wassertropfen auf dem Apfel. Auch experimentelle Anklänge sind zu finden, so wie die Reise ins Innere einer orangeroten Vuvuzela – einer Tröte, die wir von der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika kennen. „Das ist schon richtig Kunst“, urteilt der Fotograf und Projektleiter Tom Perper über dieses Bild, das die achtjährige Lena gemacht hat und von dem kein Betrachter ahnt, um was es sich dabei handelt.

Große Nachfrage

Perper geht mit den Kita-Kindern und Grundschülern auf Fototour. Doch vor dem Ausflugstag in die Wilhelma, den Park oder zu einem Unternehmen steht die Theorie. „Wir klären zuerst die Begriffe“, sagt er: Motiv, Perspektive, Schärfe, Unschärfe. Natürlich haben viele Kinder schon Fotos mit dem Handy oder der Kamera gemacht, dennoch finden Perpers Workshops große Nachfrage, weil er das Fotografieren erklärt und somit Appetit auf das Medium macht. Die Teilnehmer entwickeln so ästhetische Kriterien für sich selbst. „Da sind manchmal richtig begabte Kinder dabei“, berichtet er und bedauert, wenn ein solches Talent verkümmert, weil es sich die Eltern nicht leisten können, ihrem Sohn oder ihrer Tochter eine Kompaktkamera für etwa 100 Euro zu kaufen, denn mit solchen Modellen gehen die Kinder auf Bildsuche.

Der Projektleiter ist nebenbei stets auf Suche nach Sponsoren – das heißt nach Firmen, die der Fotogruppe einen Auftrag erteilen und dafür einen dreistelligen Betrag bezahlen. Die Bilder können sie dann veröffentlichen. So hat es beispielsweise die SSB gemacht und sich gewünscht, dass die Kinder Stuttgarter Straßenbahnen fotografieren. Ein anderes Mal waren sie bei einem Unternehmen in Vaihingen und haben Fuhrpark durch den Sucher geguckt.

Kinderbeauftragte fasziniert

Das Projekt schafft Selbstbewusstsein und fördert das selbstständige Arbeiten, betont Perper. Und wenn die jungen Preisträger auch noch wie jetzt im Rathaus ausstellen können, sei dies eine besondere Ehre. Deshalb kamen am Donnerstag zur Vernissage auch zahlreich Kinder, die an einem Workshop teilgenommen hatten. Die Kinderbeauftragte Maria Haller-Kindler betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass sie es faszinierend finde, wie kunstvoll diese Bilder sind. „Was sehen, denken und fühlen Kinder? Das drücken die Bilder aus“, sagte sie. „Für mich ist das ja sehr wichtig, das zu sehen.“

Perper freut sich, dass die jungen Fotografen mit ihrem besonderen Blick auch bei dem einen oder anderen Kita-oder Schulausflug den Auftrag bekommen, die Bilder für die spätere Dokumentation zu machen. Die Bildungsstiftung Element-i, für die er arbeitet, gehört zum Konzept-E Unternehmen, das einer der größten freien Kita-Träger in Stuttgart ist.