Auch im Stadtmuseum liegt Ötzi in einer dem Original nachempfundenen Kühlkammer, die allerdings wohl temperiert ist. Foto: Ines Rudel

Im Nürtinger Stadtmuseum ist die rund 5300 Jahre alte Gletschermumie als originalgetreues Imitat zu sehen. Zudem bietet die Schau Wissenswertes über die Ausrüstung, das Leben und den tragischen Tod des Mannes aus dem Eis.

Nürtingen - Ötzi fühlt sich bei einer Temperatur von minus sechs Grad und 99 Prozent Luftfeuchtigkeit am Wohlsten. Zumindest gilt das für das Original der steinzeitlichen Gletschermumie im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen. Im Nürtinger Stadtmuseum muss der Mann aus dem Eis nicht frieren, obwohl er sich dort als Imitat ebenfalls in einer Kammer befindet, die der echten zum Verwechseln ähnlich sieht, aber wohl temperiert ist. Und die Besucher des Nürtinger Museums sind ebenfalls im Vorteil: Sie brauchen nicht stundenlang anzustehen, um einen Blick auf Ötzi zu werfen und sogleich weitergeschoben zu werden. Und wie auch im Bozener Museum können sie in der Familienausstellung vom 25. November bis zum 25. Februar jede Menge über das Leben des vor rund 5300 Jahren auf tragische Weise zu Tode gekommenen Mannes und die Zeit, in der er gelebt hat, erfahren.

Die von Ötzi ausgehende Faszination ist ungebrochen. Anhand der bei ihm gefundenen Ausrüstung lasse sich der Übergang von der Steinzeit zur Kupferzeit sehr gut dokumentieren, sagt Dieter Luksch, der Inhaber und Macher der Wanderausstellung. So trug der Jäger, der mit 46 Jahren im Hochgebirge am Tiesenjoch in Südtirol das Zeitliche gesegnet hat, eine Kappe aus Bärenfell, Schuhe aus Bären- und Hirschhaut sowie – laut Dieter Luksch „sehr modebewusst“ – Leggins aus hellem und dunklem Ziegenfell.

Kupferbeil als Statussymbol

Er hatte sowohl steinzeitliches als auch kupferzeitliches Werkzeug bei sich. Unter anderem war er mit einem Dolch aus Feuerstein ausgestattet, aber auch mit einem Kupferbeil, das laut Luksch wohl eher als Statussymbol denn als Waffe diente: „Es wies kaum Gebrauchsspuren auf.“ In einem Gefäß aus Birkenrinde transportierte er die Glut, um jederzeit ein Lagerfeuer entzünden zu können. Und er hatte Pfeil und Bogen bei sich, um sich seinen Braten selbst zu schießen. Die Nachbildungen dieser Ausrüstungsgegenstände sind in der Ausstellung ebenfalls zu sehen, Dieter Luksch hat sie von experimentellen Archäologen nach der Vorgabe der Originalfundstücke herstellen lassen. Unter anderem auch den Grasmantel, der durchaus gut vor Kälte, weniger aber vor Nässe geschützt habe.

Ötzi ist nicht nur ein beredtes Zeitdokument dafür, wie die Menschen damals gelebt, gearbeitet, gejagt und sich gekleidet haben. Hinter der Art und Weise, wie er zu Tode kam, verbirgt sich Luksch zufolge zudem ein „Kriminalfall“. 2001, zehn Jahre nach dem Fund in einer mit Eis und Wasser gefüllten Mulde, wurde bei einer computertomografischen Untersuchung der Mumie eine Pfeilspitze entdeckt, die sich unterhalb des linken Schulterblatts in den Körper gebohrt hatte. Zudem lassen tiefe Schnittwunden an den Händen darauf schließen, dass Ötzi nicht nur Freunde hatte, sondern in einen erbitterten Kampf verwickelt worden war. Einen Raubmord schließen die Kriminalisten allerdings aus, denn sonst hätte ihm sein Kontrahent wohl zumindest das Kupferbeil abgenommen. Unabhängig von den Verletzungen war es um Ötzis Gesundheit nicht gut bestellt. Er war unfruchtbar, seine Gelenke und Zähne waren stark abgenutzt, er litt an Borreliose, Laktoseintoleranz, hatte Gallensteine, Arterienverkalkung und Würmer im Darm.

Spezielle Führungen für Schüler

Zwar steht der Steinzeitmensch im Mittelpunkt der Ausstellung in Nürtingen, doch Luksch rekonstruiert auch seine Umwelt und Lebensbedingungen. Weitere Themenbereiche befassen sich mit dem Klima und der Vegetation vor rund 5300 Jahren, dem jungsteinzeitlichen Haus- und Ackerbau, der Viehzucht, Ernährung, Kleidung sowie Gebrauchs- und Jagdgegenständen der damaligen Zeit. Auch die Wild- und Haustiere, mit denen es Ötzis Zeitgenossen zu tun hatten, sind zu sehen – praktischer Weise ist Luksch Tierpräparator.

Der Museumsleiterin Angela Wagner-Gnan war es ein Herzenswunsch, nach rund zehn Jahren wieder eine Steinzeitausstellung anzubieten. Damals wurde im Museum die Geschichte des Rulamans, der Steinzeitmensch von der Schwäbischen Alb, erzählt – mit einem „fantastischen Besuch von Schulklassen“, sagte Wagner-Gnan bei der Vorstellung der Ausstellung. Auch für die aktuelle Schau werde es wieder spezielle Führungen für Schüler geben.

Wo Ötzi gelebt hat, ist bis heute nicht definitiv geklärt. Die scherzhafte Analyse von Dieter Luksch hat aber ergeben, er könne Deutscher gewesen sein, denn „er war mit Sandalen im Gebirge unterwegs“.

Für kleine Besucher gibt es Spaß im Steinzeit-Abenteuer-Wald

Eröffnung
Die Ausstellung „Ötzi – der Mann aus dem Eis“ wird an diesem Freitag um 19 Uhr mit einem Fachvortrag eröffnet. Raiko Krauß vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen führt in „das Leben der Jungsteinzeit“ ein. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung endet am 25. Februar 2018.

Zeiten
Das Stadtmuseum ist dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Am 24., 25. und 31. Dezember ist es geschlossen, kann aber am 26. Dezember und am 1. Januar besucht werden. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.stadtmuseum-nuertingen.de.

Kinder
Die jüngsten Besucher finden neben vielen Informationen Spaß in einem „Steinzeit-Abenteuer-Wald“ in einem speziellen Raum. Für Schulklassen stehen zudem didaktische Materialien und Medien zur Verfügung.

Ausstellung
Die Wanderausstellung von Dieter Luksch gibt es schon seit rund 15 Jahren. Sie war schon in vielen Städten in Deutschland zu sehen. Sie wurde im Laufe der Jahre stets an neue Erkenntnisse über Ötzi angepasst.