Die Ausstellung bietet eine Menge reizvolle Ansichten und Einblicke. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Großer Andrang bei der Eröffnung: Das Stuttgarter Stadtarchiv in Bad Cannstatt zeigt Bilder aus der Gründerzeit des Westens.

S-West/Bad Cannstatt - Der Vortragssaal des Stadtarchivs am Cannstatter Bellingweg ist am Mittwochabend komplett besetzt. Die zusätzlichen Stühle aus dem Lager sind vergeben. Wer jetzt noch kommt, hat Glück, wenn er einen Klappsitz ergattert. Der überraschend große Andrang gilt der Eröffnung der Ausstellung „Gründerzeit: der Stuttgarter Westen in historischen Fotografien“. Ende 2015 war sie bereits im Bürgerzentrum West zu sehen gewesen. Nun wird sie in leicht veränderter Form bis 1. September im Neckarpark gezeigt.

Vergleiche mit der Gegenwart

„Das Bild von der Johanneskirche am zugefrorenen Feuersee ist beispielsweise erstmals öffentlich zu sehen“, erklärt Eckard Ernst, der die mittlerweile auch in Buchform erschienene Sammlung historischer Aufnahmen gemeinsam mit Ehefrau Christine und Sohn Clemens zusammengetragen hat. Nicht um Nostalgiker zu bedienen, sondern um eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Roland Müller, Leiter des Stadtarchivs spricht in diesem Kontext davon, das „Gewordensein des Gegenwärtigen“ bewusst zu machen. Ausstellungsbesucher können das Verschwimmen von damals und heute an einem Bildschirm erleben, auf dem sich historische und aktuelle Aufnahmen ineinanderschieben.

Neugierig-kritische Auseinandersetzung

Heinrich Steinfest hört man auch nach 18 Jahren im Stuttgarter Westen unschwer an, dass er in Wien aufgewachsen ist. Die minutiösen Beobachtungen, mit denen der Autor die Vernissage bereichert, offenbaren jedoch, wie fest er im Bezirk verwurzelt ist. Sein Text, in dessen Mittelpunkt der mysteriöse Weg eines Tischtennisballs vom Vogelsang zum Bismarckplatz steht, ist reich an Bildern aus dem Quartier. Auch den Band der Familie Ernst hat der Schriftsteller eingebaut: „Ich sehe mir die Bilder sogar mit der Lupe an, um die Aufschriften an den Läden zu entziffern“, verrät er. Roland Müller sieht in diesen Zeugnissen aus der Gründerzeit eine „Chance zur neugierig-kritischen Auseinandersetzung mit Gegenwart gewordener Geschichte.“ Das schließt freilich nicht aus, dass sie auch Denkanstöße für die Zukunft bereithalten.