Willi Rudolf ist der Kurator der Ausstellung zum Thema Barrierefreiheit Foto: Stahlberg

In Vaihingen findet die Ausstellung „Barrierefreiheit im Sozialraum erlebbar machen“ statt. Die Besucher lernen durch Selbstversuche, wie der Alltag durch vermeidbare Hindernisse erschwert wird.

Vaihingen - Die größte Angst ist in diesem Moment, sich richtig fies die Finger einzuklemmen, und zwar zwischen dem Rollstuhlrad und dem Türrahmen. Bei der Ausstellung „Barrierefreiheit im Sozialraum erlebbar machen“ im Paritätischen Mehrgenerationenzentrum (PMGZ) ist nicht nur anschauen angesagt, sondern vor allem ausprobieren: Besucher dürfen sich in einen Rollstuhl setzen und versuchen, über die Türschwelle durch eine schmale Gästeklotür zu hoppeln. Oder wie es sich anfühlt, mit einer speziellen Brille, die eine Sehbehinderung simuliert, Geld an einem Bankautomaten abzuheben.

Die Wanderausstellung wird vom Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Baden-Württemberg (LVK BW) in Kooperation mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg organisiert. Finanziell unterstützt wird sie vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren. Kurator der Ausstellung ist Willi Rudolf, der Vorsitzende des LVK BW.

Selber erkennen, wie sich Einschränkungen anfühlen

Hansjörg Böhringer, der Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Baden-Württemberg, wies bei der Vernissage am Dienstag darauf hin, dass Ausstellungen normalerweise Orte der Besinnlichkeit, des Schauens und Nachdenkens seien. Diese aber gehe darüber hinaus: „Bei dieser Ausstellung werden die Besucher selbst ein gestaltender Teil, denn sie können, dürfen und sollen am eigenen Leib erleben, wie es sich anfühlt, einen Rollstuhl zu manövrieren, schwerhörig zu sein oder keinen vollständigen Tastsinn zu besitzen“, erläuterte er. Zugleich präsentiere man Lösungen, wie man diese Beeinträchtigungen kompensieren könne. Man sei auf dem Weg in eine immer älter werdende Gesellschaft, bei der Selbstbestimmung, Mobilität und Teilhabe ganz wesentlich davon abhingen, ob Wohnungen, Transportmittel und soziale Lebensräume so gestaltet seien, dass sie Zugang erlauben, verdeutlichte er. „Wenn man bereits bei der Bauplanung an Barrierefreiheit denkt, entstehen keine wesentlichen Mehrkosten. Zukünftige Generationen werden es uns danken.“

Barrierefreiheit geht jede Generation etwas an

Diesen Punkt hob auch der Landesbehindertenbeauftragte Gerd Weimer hervor. „Barrierefreiheit geht uns alle an. Denn irgendwann werden wir alle in irgendeiner Weise behindert sein“, sagte er. Daher profitiere die gesamte Gesellschaft davon, wenn Gebäude und die Umgebung frei von Hindernissen seien. Die Ausstellung solle sowohl sensibilisieren als auch praktische Tipps geben. „Wir stehen am Anfang eines langen Prozesses“, so Weimer weiter.

Barrierefreiheit sei die Voraussetzung für Inklusion, sagte Willi Rudolf. Auch er betonte, dass das Thema tatsächlich alle angehe: von der Mutter mit Kinderwagen über den bei einem Sportunfall Verletzten, der mit Krücken laufe, bis hin zu den Senioren. „Nachrüsten ist deutlich teurer als gleich barrierefrei zu bauen.“ Von der Notwendigkeit der Barrierefreiheit überzeugen könne man aber am besten durch eigenes Erleben, so der Verbandsvorsitzende. Also dann, wenn man in einem Rollstuhl sitzt und sich verzweifelt bemüht, über eine Schwelle zu hoppeln ohne sich die Finger einzuklemmen.

Öffnungszeiten
Die Ausstellung im Foyer des Paritätischen Mehrgenerationenzentrums an der Hauptstraße 28 hat vom 22. bis 24. Oktober geöffnet. Sie kann von 10 bis 16 Uhr besucht werden. Inge Stickel und Ines Vorberg führen durch die Ausstellung.