Monika Rotter, Richard Wolfframm und Regine Autenrieth (von links) haben das Projekt angestoßen und begleitet. Foto: Benjamin Schieler

Die Wanderausstellung zu „Herzzeitlos“ zeigt gemeinsame Arbeiten von Kindern und Senioren – sie sind das Ergebnis berührender Begegnungen.

S-West - Der junge Mann am Klavier traf zum Einstieg eine kluge Entscheidung. Edvard Griegs „Morgenstimmung“ aus der Peer-Gynt-Suite ertönte, gespielt vom 14-jährigen Simon Daigler, der im Saal des Mehrgenerationenhauses einen Hauch von Aufbruchstimmung verströmte. Das passte zur Eröffnung der Wanderausstellung zum Projekt „Herzzeitlos“, das bei seinen mehr als 200 Beteiligten ebenfalls eine Art von Erwachen zum Ziel hatte – und nun in Stuttgart Nachahmer inspirieren will.

Das Servicehaus Sonnenhalde (SHS) ist eine private Alteneinrichtung mit baden-württembergischen Standorten in Engstingen, Trochtelfingen, Westerheim und Singen. Für die Präsentation ihres freien Kunstprojekts der Generationen sind Verantwortliche und Bewohner von der Schwäbischen Alb in die Landeshauptstadt gekommen, allen voran das Projektteam um die Pädagoginnen Monika Rotter und Regine Autenrieth sowie dem SHS-Geschäftsführer Richard Wolfframm. Vor vier Jahren hatte das Trio Schulen, Museen und Künstler als Partner gewonnen, um zwei Gruppen zusammenzubringen: Senioren und Kinder im Alter zwischen sechs und 13 Jahren. Das Ziel: ein Umfeld zu schaffen, in dem ein gemeinsames künstlerisches Wirken möglich ist, und damit berührende Begegnungen herbeizuführen.

Gegen das Einsperren in einen ideenarmen Raum

Diese sind dem Geschäftsführer Wolfframm besonders wichtig. Den natürlich bekommen viele Bewohner seiner Seniorenheime regelmäßig Besuch von Verwandten. „Aber die Besuche sind kein Ersatz für Begegnungen“, sagt er – weil sie zumeist passiv verliefen. Das Leben im Seniorenheim habe nach gängigen gesellschaftlichen Vorstellungen etwas von einem „Einsperren in einen ideenarmen Raum“, von einer Sackgasse kurz vorm Sterben, von einem Ruhigstellen. Wolfframm kritisiert diese Vorstellung und sagt: „Im Leben der Senioren sollte Unruhe herrschen.“ Denn erst das schaffe die Voraussetzung zu emotionalen Erfahrungen im Alter.

Überrascht hat Wolfframm die Selbstverständlichkeit, mit der die vormals fremden Kinder und Senioren zueinandergefunden haben. Gemeinsam tanzten sie, rappten, entwarfen Collagen, plastizierten mit Ton, malten oder zeichneten über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg, ausgehend von einem erweiterten Kunstbegriff, der auf Joseph Beuys zurückgeht und jedem Menschen das Talent zum Künstler zugesteht.

Eine Sehnsucht nach tiefsinnigen Erlebnissen

Die gebürtige Stuttgarterin Regine Autenrieth, inzwischen Wahlälblerin, glaubt mit dem Projekt nicht nur Begegnungen ermöglicht, sondern auch die „Sehnsucht nach wahrhaftigen, echten und tiefsinnigen Erlebnissen“ erfüllt zu haben, die in der Gesellschaft von heute immer stärker werde. Davon zeigte sich auch Alfred Schöffend als Vertreter des Gastgebers angetan. Das Generationenhaus sei ohnehin der perfekte Standort für die Wanderausstellung, „weil die Idee der Begegnung von Jung und Alt bei uns im Alltag ja auch sehr stark verankert ist“, sagte Schöffend.

Dass diese Begegnungen nicht nur einseitig auf positive Reaktionen stieß, legen Interviews mit beteiligten Kindern nahe. „Mir hat gut gefallen, dass die alten Leute bewiesen haben, dass sie nicht nur faul sind und auf den Sesseln rumhocken“, sagt etwa der achtjährige Max. Und auch der Pianist Simon Daigler konnte nach eigenen Angaben Vorurteile im Umgang mit den Seniorenheimbewohnern abbauen. „Erstaunlich zutraulich“, fand Daigler diese – und sagt außerdem: „Sie mögen vielleicht nicht mehr ganz so beweglich sein, aber geistig sind sie noch immer topfit.“