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Unter dem Pseudonym Adam Stiefel veröffentlichte der Göppinger Buchhändler und Antiquar seine Bilder. Niemand sollte wissen, wer die Aquarelle gemalt hat. Nun zeigt der Förderkreis Schloss Filseck eine Retrospektive seiner Arbeiten.

Uhingen - Seine künstlerischen Ambitionen hat Alfred Kümmerle im Verborgenen gelebt. Seine Bilder signierte er, wenn überhaupt, mit dem Pseudonym Adam Stiefel. „Er wollte nicht, dass die Leute mit ihrem Urteil hinter dem Berg halten, weil er der Buchhändler Kümmerle ist“, erzählt sein Sohn Hans Kümmerle. Wie zuwider es dem Buchhändler und Antiquar Alfred Kümmerle war, das Geheimnis seines künstlerischen Schaffens zu lichten, verdeutlicht auch eine Anekdote aus seinen späten Jahren. Damals plante die Familie eine Ausstellung mit seinen Bildern im Göppinger Rathaus. „Da sterb’ ich lieber vorher“, soll der 85-Jährige gewettert haben. Gefreut hat es ihn dann doch, als die Ausstellung ein Erfolg wurde. Auch jetzt sind wieder Bilder von Alfred Kümmerle zu sehen. Bis zum 1. Oktober wird im ersten Stock des Schlosses Filseck bei Uhingen eine Retrospektive seiner Werke gezeigt. Er selbst kann sich dazu nicht mehr äußern. Alfred Kümmerle ist 2010 im Alter von 90 Jahren gestorben.

Heitere Leichtigkeit, ausdrucksstarke Frische

Zum Malen ist Alfred Kümmerle schon früh gekommen, wie seine Enkelin, die Kunsthistorikerin Stefanie Grünes, erzählt. Zum Leidwesen seiner Eltern habe er im zarten Alter von sechs Jahren die reich bebilderte Schlafzimmertapete mit zusätzlichen Illustrationen versehen. Mit 15 hat er dann seine ersten Aquarellfarben erstanden. Dieser alten Maltechnik ist er zeit seines Lebens treu geblieben. Und obwohl er nie eine Akademie besucht hat, hat er es in der Aquarellmalerei zur Meisterschaft gebracht. „Diese heitere Leichtigkeit und ausdrucksstarke Frische fand er eigenständig“, lobt Stefanie Grünes und merkt augenzwinkernd an, dass sie natürlich alles andere als eine neutrale Betrachterin sei. Es gebe da so etwas wie eine „familiäre Befangenheit“.

Doch Stefanie Grünes hat recht. Selbst die Winter- und Herbstbilder auf Schloss Filseck strahlen eine heitere Gelassenheit und eine große Klarheit aus. Viele Motive sind bekannt. Alfred Kümmerle alias Adam Stiefel hat Landschaften, Straßen und Plätze in Göppingen und Umgebung mit schwungvollem Pinselstrich auf die Leinwand gebracht. Von hohem Wiedererkennungswert sind - aller baulichen Veränderungen der vergangenen Jahre zum Trotz – auch die Ansichten der Stadt Göppingen. Adam Stiefel hat die Marktstraße, die Schlossstraße und auch die Hauptstraße in mehreren Panoramen festgehalten. Viele Geschäfte, die darauf zu sehen sind, haben längst schon geschlossen, und viele Gebäude existieren heute nicht mehr.

Maler, Dichter, Komponist

„Das Reisen war seine Inspiration“, sagt Stefanie Grünes. Ihr Großvater sei gerne mit dem Auto losgefahren, um die nähere Umgebung zu erkunden. Aber auch in die Ferne zog es Adam Stiefel immer wieder, wie die Motive auf Schloss Filseck beweisen. Seine Reisen führten ihn quer durch Europa. Zurück kam er mit prall gefüllten Skizzenbüchern und fertigen Aquarellen. Ein Schön-Wetter-Maler sei ihr Großvater nie gewesen, sagt Stefanie Grünes. Auch das lässt sich in der Ausstellung ablesen. Manche Bilder sind skizzenhaft geblieben, weil das Wetter dem Künstler einen Strich durch die Rechnung machte.

Nicht nur als Maler hatte Alfred Kümmerle Geschick. Er schrieb auch „charmante und bisweilen komische Gedichte“, wie Stefanie Grünes sagt, und illustrierte hin und wieder Bücher regionaler Schriftsteller. Im Jahr 1968 gründete er einen Verlag, der auf altgermanistische Studien spezialisiert ist. Auch kleinere Lieder und Musikstücke komponierte er. Allerdings waren diese wie auch seine Bilder der Familie, den engsten Freunden und treuen Kunden vorbehalten.