Razzia in einem Asylbewerberheim – die Polizei hat mit Serientätern unter den Flüchtlingen mächtig zu kämpfen Foto: Gottfried Stoppel

Die Debatte um straffällige Ausländer ist in vollem Gange – und ziemlich heikel. Bei der Polizei steht vor allem eine Gruppe im Blickpunkt: zugereiste Intensivtäter ohne jede Skrupel.

Stuttgart - Der Bekleidungsgeschmack des jungen Mannes aus einer früheren Sowjetrepublik ist exquisit. Nur vom Teuersten sind die Klamotten, die er vor einigen Tagen in einem Geschäft in der Region Stuttgart mitgehen lässt. Als er vom Ladendetektiv gestellt wird, findet die Polizei alle Werkzeuge bei ihm, die man zum Entfernen der Sicherungen braucht.

Schnell stellt sich heraus, dass der Mann kein Unbekannter ist. Dutzende Delikte hat er bereits auf dem Kerbholz. Rauschgifthandel, Ladendiebstahl, Hehlerei, Betrug, Beleidigung, Hausfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung. Fast alles, was das Strafgesetzbuch hergibt. In seiner Akte gibt es den Vermerk „Gewalttäter“. Ein Berufskrimineller, bei der Polizei als Intensivtäter geführt. „Beschuldigter begeht fortwährend Eigentumsdelikte, mit einem weiteren Auftreten ist zu rechnen“, heißt es im internen Bericht. In Haft geht er trotzdem nicht. Dafür reicht das Vergehen nicht aus. Während des Verfahrens bleibt er auf freiem Fuß.

Es sind solche Fälle, die die Polizei im Land frustrieren. „Solche Leute wird man einfach nicht los. Die kommen gezielt nach Deutschland, um Straftaten zu begehen, und tauchen immer wieder auf. Für die ist die Welt ein Selbstbedienungsladen. Das ärgert uns wahnsinnig“, sagt ein Beamter, der regelmäßig auf Streife mit diesen Fällen konfrontiert wird. Das Kopfschütteln unter den Kollegen sei enorm, bestätigt ein anderer. Die Lage beim Thema Ausländerkriminalität habe sich seit einigen Jahren massiv verschlechtert. Nicht nur, aber auch im Zuge der Flüchtlingskrise.

Völlig fehlendes Unrechtsbewusstsein

„Viele kommen, um hier in Sicherheit zu leben“, sagt ein Polizist aus Stuttgart, „es wird aber auch Schindluder getrieben.“ Mancher sei mit zig falschen Identitäten unterwegs, so würden auch Verurteilungen erschwert. „Wir haben es immer öfter mit einer streng islamischen Denkweise oder völlig fehlendem Unrechtsbewusstsein zu tun“, sagt eine Beamtin. Sie selbst als Frau erlebe häufig totale Respektlosigkeit. „Und wenn dann einer doch für ein paar Monate in Haft geht“, ergänzt ein Kollege, „macht ihm das nichts aus. Der sagt, wenn er wieder draußen ist, sei gut für ihn gesorgt.“

Die Realität im Polizeialltag passt offenbar längst nicht mehr zu den Diskussionen, die auf politischer Ebene geführt werden. „Dort wird doch alles relativiert. Und wir müssen es ausbaden“, sagt ein verärgerter Polizist. Dass im Zuge des Mordes in Freiburg, dessen ein afghanischer Flüchtling dringend verdächtig ist, darüber gestritten wird, ob man das Thema Ausländerkriminalität überhaupt ansprechen darf, versteht angesichts der vielen frustrierten Reaktionen auf den Revieren offenbar niemand mehr. Dabei gehe es nicht darum, die Masse der Flüchtlinge als kriminell darzustellen, betonen die Beamten. Sondern um Serientäter, die oft schon mit dem Plan, in Deutschland Straftaten zu begehen, einreisten. Und zwar nicht nur aus den Krisenländern dieser Welt, sondern auch aus der EU, vor allem Südosteuropa.

An jedem Tag erstellt die Polizei in Baden-Württemberg ein Lagebild, in dem die dringlichsten Fälle mit Tatverdächtigen oder Gefassten aufgelistet werden. Für die Öffentlichkeit ist es nicht bestimmt. Doch egal, welchen Tag man auswählt – die Nationalitäten, die dort auftauchen, sind immer dieselben. Einige Deutsche, dazu aber deutlich mehr Georgier, Rumänen, Gambier und Nordafrikaner.

Die Statistik lässt sich unterschiedlich auslegen

Beim Innenministerium warnt man davor, solche Lagebilder zu hoch zu bewerten. Dort tauchten Ausländer auch deshalb häufiger auf, weil bei ihnen eher Fluchtgefahr bestehe oder es keinen festen Wohnsitz gebe, sagt ein Sprecher. Grundsätzlich sei dieses Thema „sehr sensibel“.

Betrachtet man die Statistik, gibt es durchaus Fakten zum heiklen Thema. Doch wie so oft sind sie eine Frage der Interpretation. Im Jahr 2015 – neuere Zahlen gibt das Land noch nicht heraus – hatten in Baden-Württemberg 41 Prozent der Tatverdächtigen keinen deutschen Pass. Zieht man Aufenthaltsverstöße ab, bleiben noch 36 Prozent. Angesichts eines Anteils an der Bevölkerung von 14 Prozent ist das viel. Allerdings reisen manche Täter gezielt ein und leben gar nicht in Deutschland. Kriminologen weisen zudem darauf hin, dass gerade unter Asylsuchenden viele junge Männer seien – und die seien besonders anfällig für Straftaten, unabhängig vom Pass. Zudem tut die Enge in vielen Unterkünften das Ihre dazu.

„Es kommt immer darauf an, was man womit in Relation setzt“, sagt Ulrich Heffner vom Landeskriminalamt (LKA). Eine Beweisführung mit Statistiken sei deshalb grundsätzlich schwierig. Ein einfaches Beispiel: Die Zahl der Straftaten von Flüchtlingen hat sich massiv erhöht. Aber nicht so massiv wie die Zahl der Flüchtlinge. Die einen urteilen deshalb, dass das eine gute Entwicklung ist. Die anderen sehen eine schlechte, weil es schlicht mehr Straftaten geworden sind. Fürs Jahr 2016 zeichne sich ab, so der Sprecher des Innenministeriums, dass die Zahl der Straftaten von Nichtdeutschen, wie es im offiziellen Jargon heißt, erneut ansteige. Das sei allerdings auch nicht verwunderlich, denn auch der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe ist erneut gewachsen. Mehr Menschen, mehr Straftaten – und die alte Frage: Ist das eine völlig normale Entwicklung oder ein zusätzliches Problem?

Manche Nationalitäten stechen negativ heraus

Klar festhalten lässt sich aber, dass es unter den Nationalitäten große Unterschiede gibt. Manche begehen pro Kopf deutlich mehr Straftaten als andere. Auffällig sind Algerier, Georgier, Gambier, Serben, Tunesier oder Marokkaner. Natürlich bei weitem nicht alle – aber überdurchschnittlich viele. Das weiß man auch bei den Ermittlungsbehörden – und kennt die oft organisierten Zuständigkeiten. „Georgier und Rumänen tauchen immer wieder bei Einbrüchen und Diebstählen auf, da kann man schon von bandenmäßigen Strukturen ausgehen“, sagt LKA-Mann Heffner. Der Nachweis ist allerdings schwierig. Das gilt auch für Rauschgiftdelikte, bei denen das kleine afrikanische Land Gambia eine große Rolle spielt.

„Der Verdacht liegt nahe, dass einige gezielt zu Rauschgiftstraftaten herkommen, um mit dem Dealergeld später in ihrer Heimat in Wohlstand leben zu können“, sagt der Stuttgarter Polizeisprecher Olef Petersen. Allein die Stuttgarter Polizei hat in diesem und im vergangenen Jahr etwa 80 Gambier wegen Drogendelikten festgenommen. „In den Flüchtlingsunterkünften selbst haben wir dagegen kaum Probleme“, sagt Petersen. Stattdessen bereiteten die zahlreichen Mehrfachtäter der Polizei Sorgen. Deshalb gibt es in Stuttgart eine zentrale Ermittlungsstelle, die gerade Mehrfachintensivtätern auf die Finger schaut, koordiniert und regelmäßig sehr zügig Informationen auch mit anderen Dienststellen im Land austauscht. So fliegt es eher auf, wenn ein Täter immer wieder auffällig wird. „Damit erhöht sich die Chance, ihm mehrere Straftaten nachweisen zu können und ihn so in Haft zu bekommen“, sagt Petersen.

Geldstrafen werden oft nicht bezahlt

Das, klagen Polizisten, sei die einzige Strafe, die überhaupt etwas nutze. Geldstrafen zum Beispiel seien gerade Flüchtlingen oft egal, denn bezahlen könnten sie eh nicht. Zudem schütze ein laufendes Asylverfahren vor Abschiebung – und ausländerrechtliche Folgen gebe es auch später häufig nicht, denn die Betroffenen reisten einfach wieder ein. Zudem sei die Justiz mit der Vielzahl der Fälle überfordert.

Der modebewusste Mann aus dem Bekleidungsgeschäft dürfte also nicht zum letzten Mal als Straftäter aufgetaucht sein. Wie heißt es schließlich im Bericht: „Mit einem weiteren Auftreten ist zu rechnen.“