Ein Straßenabschnitt der L 6000 nördlich von Sandhausen beschäftigt seit Jahren die Politik Das Straßenstück Foto: Gemeinde Sandhausen

Vor 36 Jahren wurde der Rückbau der L 600 bei Sandhausen (Rhein-Neckar-Kreis) beschlossen. Seither schwelt ein Streit, ob es Sinn macht, die Straße aufzugeben. Jetzt hat der Petitionsausschuss des Landtags den Schwarzen Peter: Das Gremium fällt an diesem Mittwoch einen Empfehlungsbeschluss.

Sandhausen - Die Geschichte hat ihren Anfang 1989. Damals wurde die B 535 südlich von Heidelberg geplant. Die Bundesstraße war als verbesserte Ost-West-Verbindung zwischen Heidelberg und Schwetzingen konzipiert. Als ökologische Ausgleichsmaßnahme wurde im Planfeststellungsbeschluss der Rückbau der L 600 festgeschrieben. Diese bisher 7,50 breite Straße nördlich von Sandhausen soll auf eine Breite von drei Metern zurückgebaut werden, so dass nur noch landwirtschaftliche Fahrzeuge und der Linienbus dort verkehren.

Rund ein Viertel Jahrhundert geschah nichts. Dann stieß irgendjemand wieder auf den Beschluss. Die Gemeinde Sandhausen allerdings wollte davon nichts mehr wissen. Sie beantragte beim zuständigen Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe ein Änderungsverfahren. Weil die L 600 inzwischen von rund 6000 Fahrzeugen täglich befahren werde, führe eine Sperrung zu einer Verdrängung des öffentlichen Verkehrs. Ein Großteil werde dann durch die Ortslage der Gemeinde Sandhausen fließen, wurde argumentiert.

Die 15 000-Bürger-Gemeinde Sandhausen untermauerte ihre Einschätzung durch ein Verkehrsgutachten. Darin wird die L 600 als Teilstück der Ost-West-Verbindung zwischen Leimen/Sandhausen nach Schwetzingen und zur A 5 gesehen. Weil dieser Durchgangsverkehr Sandhausen nicht zuzumuten sei, müsse der Planfeststellungsbeschluss von 1989 geändert werden, so der Antrag..

Mit dieser Meinung fand sich Sandhausen zwar nicht allein. Es gibt aber durchaus Gegner. Vor allem die Naturschutzverbände Nabu und BUND pochen darauf, dass nach so langer Zeit nun endlich ein ökologischer Ausgleich für die B 535 geschaffen wird. Außerdem gibt es im Heidelberger Gemeinderat Verfechter des Rückbaus.

2010 erging erstmals eine von 5000 Menschenunterzeichnete Petition an den zuständigen Ausschuss des Landtags. Prompt bekamen die Petenten Unterstützung: Zweimal empfahl das Gremium, die L 600 zu erhalten und den Planfeststellungsbeschluss zu ändern.

Das RP Karlsruhe folgte dieser Empfehlung und bot ein Alternativ-Paket an. Dazu gehört eine Verbindung von Sandrasenflächen im Naturschutzgebiet „Pflege Schönau – Galgenbuckel“ in Sandhausen, die Aufwertung der Landschaft im Umfeld der L 600 / B 535 in Bruchhausen und Kirchheim sowie die Herstellung von Sandrasenflächen im Naturschutzgebiet „Hirschacker Dossenwald“ in Schwetzingen. Bis hierhin war auch Sandhausen einverstanden. Die Sache scheiterte dann aber an Punkt 4: Der Rückbau der Straße „Am Forst“ in Sandhausen war „nach Auffassung von Gemeinderat und Verwaltung wenig zielführend“, wie Bürgermeister Georg Kletti den Bürgern mitteilte. Dieser Rückbau bringe letztlich das gleiche Problem der Verkehrsverlagerung. Zudem müsste Sandhausen die Pflegekosten für die vier Ausgleichsmaßnahmen mit 50 000 Euro pro Jahr tragen.

Aus diesem Grund lehnte der Sandhausener Gemeinderat den Vorschlag ab. Und nun? Bürgermeister Kletti will sich so kurz vor der Sitzung des Petitionsausschusses nicht äußern. Und auch das RP verweist auf das Stillhalteabkommen und gibt keine Auskunft mehr, bevor der Petitionsausschuss getagt hat.

Geärgert hat man sich in Sandhausen auch noch über einen weiteren Aspekt: Während der Rückbau der L 600 nach der so genannten Ökopunkteverordnung gerade einmal 350 000 Ökopunkte bringen würde, kommt die vom RP erarbeitete Alternative auf sechs Millionen Ökopunkte. Der Vertragsentwurf sehe aber vor, so Bürgermeister Kletti, dass die überschüssigen Ökopunkte nicht für eine andere Maßnahmen eingesetzt werden dürfen. „Wir müssen also einen Ausgleich bringen, der laut Ökopunkteverordnung siebzehnmal höherwertiger ist. Und diese Ökopunkte könnte die Gemeinde Sandhausen gut gebrauchen, sei es für zukünftige Bauleitplanungen oder sonstige Maßnahmen, welche naturschutzrechtlich ausgeglichen werden müssen.“

Wie die Sache ausgeht, ist völlig offen. Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Beate Böhlen, sagte am Montag, es müssten vor der Sitzung noch verschiedene Dinge abgeklärt werden. Es bleibt spannend bis zum Schluss.