Das Nachtleben produziert ohne Unterlass Impulse für die Hochkultur. So sehen es jedenfalls die Befürworter eines Förderetats für die Clubs. Foto: dpa

Die Clubs im Zentrum sollen künftig bezuschusst werden. Insgesamt 50 000 Euro werden an Clubbetreiber ausgeschüttet. Mit dem Geld will der Gemeinderat ihre kulturellen Leistungen würdigen.

Stuttgart-Mitte - So empfinden gewiss nicht alle Bewohner des Stadtzentrums: Ein Club – von älteren Jahrgängen landläufig als Diskothek wahrgenommen – ist ein Kulturbetrieb. Er ist „das popkulturelle Pendant zu Theater, Oper und Galerien“. So sagt es Walter Ercolino, der selbst Platten auflegt, als Blogger auf seiner eigenen Internetseite seine Ansichten verbreitet, sei es über Ladenleerstand im Osten Stuttgarts oder über die EU-Freizügigkeit, der außerdem für die Grünen Politik macht, wenn auch eher an der Graswurzel: Er sitzt im Bezirksbeirat Ost und im Kulturausschuss des Gemeinderats. Nebenbei ist er Pressesprecher für das Clubkollektiv, in dem sich 14 Gastronomen zusammengeschlossen haben, um die Interessen von Party- und Konzertveranstaltern zu fördern, mithin ihre eigenen.

Im Kulturausschuss hat Ercolino gemeinsam mit Peter James mittels für kommunalpolitische Verhältnisse leidenschaftlichem Vortrag durchgesetzt, was mit einiger Gewissheit noch im vergangenen Jahrzehnt bestenfalls belächelt worden wäre. Die Stadt soll das Nachtleben in ihrem Zentrum mit Geld fördern. James darf daran ein berufliches Eigeninteresse unterstellt werden – er leitet das Popbüro. Insgesamt 50 000 Euro sollen künftig ausgewählten Clubbetreibern zukommen und werden, der EU-Förderung für die Griechen gleich, nur unter Auflagen vergeben.

Wohlwollen in fast allen Parteien

So haben es die Kulturbeflissenen unter den Stadträten entschieden. Bedenken gegen die Förderung hegte lediglich Heinrich Fiechtner von der AfD. „Wenn Gelder aus der öffentlichen Hand losgetreten werden, muss man schon genau hinschauen“, sagte er, ebenso gut wie Clubs „könnte man auch Kneipen mit Blasmusik fördern“. Ansonsten herrschte über alle Parteien hinweg Wohlwollen. „Ich glaube, das Modell sollte unbedingt eingeführt werden“, sagte Jürgen Sauer für die CDU. „Stuttgart hat eine Clubszene mit Strahlkraft, die gehegt und gepflegt werden muss“, meint der Sozialdemokrat Dejan Perc.

Ob die Geldwächter im Verwaltungsausschuss sich dieser Meinung anschließen, bleibt abzuwarten. Sie haben das letzte Wort über die Finanzspritze für die Clubkultur. Der Kulturausschuss ist nur Berater, entscheiden darf er nicht über die städtischen Finanzen. Die Verteilung der Förderetats unter den zumeist von Geldknappheit geschlagenen Kultureinrichtungen wird zwar nicht von Hauen und Stechen begleitet, aber durchaus mit Argwohn verfolgt – und gelegentlich mit Rätselraten.

Livekonzerte sind Voraussetzung für eine Förderung

„Clubs sind nicht einfach Diskotheken“, sagt Ercolino, in ihnen „finden sich Menschen mit kulturellem Interesse zusammen“. Und aus der Graswurzelkultur, die dort gehegt wird, ergäben sich ohne Unterlass neue Impulse für die Hochkultur. In Clubs treffe sich die „Creative Class“ Stuttgarts, um sich lokaler Musikkultur zu widmen. „Über 200 neue Musikstilrichtungen haben sich aus Clubs heraus gebildet“, sagt James. Das Schocken an der Hirschstraße nennt Ercolino als Beispiel, das Kowalski beim Hauptbahnhof oder den King’s Club an der Calwer Straße. Letzterer warb am Tag der Förderentscheidung mit Karaoke und Disco. Das Kowalski kündigte eine „Schwiiz`r Nacht mit Katermukke“ an. Dafür spielen im Schocken am 17. Juli die Intergalactic Lovers – immerhin.

Denn Livekonzerte sind unabdingbare Voraussetzung für eine Förderung, Lesungen, Poetry-Slams oder Veranstaltungen der Subkultur sind erwünscht. Womit die Zahl der Kandidaten sich in engen Grenzen halten dürfte, zumal kein Club gefördert werden soll, der über mehr als 500 Quadratmeter Fläche verfügt. Zum Förderantrag gehört verständlicherweise ein Konzept. Über das entscheidet eine Fachjury, die das Popbüro einberufen will.

Genehmigt der Gemeinderat in seiner Gesamtheit den Fördertopf fürs Nachtleben, folgt er damit dem Beispiel anderer Großstädte. Gewissermaßen selbstverständlich fördert Berlin seine Clubs, und Hamburg hat zu diesem Zwecke eine Stiftung gegründet. Sogar die Bundesregierung leistet ihren Beitrag, wenn auch einen eher bescheidenen: eine Million Euro.

Hinweis 8. Juli, 16.30 Uhr: In einer früheren Version dieses Artikels war von einer Fördersumme von 500 000 Euro die Rede. Tatsächlich werden die Stuttgarter Clubs mit insgesamt 50 000 Euro gefördert.