Laura Futschik ist sehr gerne Konditorin. Als Nachtmensch stört es sie auch nicht, dass sie Torten backt, wenn andere schlummern. Foto: Malte Klein

Die Großbäckerei Treiber in Steinenbronn hat nur drei von zwölf Ausbildungsstellen von September an besetzt bekommen. Weil der Trend zu höheren Abschlüssen geht, sind in der Region noch 820 Lehrstellen frei.

Steinenbronn - Laura Futschik steht in derGroßbäckerei Treiber in Steinenbronnund verteilt mit ausholenden, kreisenden Bewegungen Teig auf dem Blech vor ihr. Später kommen noch Streusel darauf. Doch das machen ihre Kollegen. Die Konditorin ist nur noch kurz für ein Foto in die Backstube zurückgekehrt. Denn eigentlich hat sie an diesem Dienstag um 9 Uhr schon Feierabend. „Ich arbeite nur Nachtschicht“, erzählt die 22-jährige Gesellin. Sie hat gerade bei der Backmanufaktur Treiber ihre Ausbildung abgeschlossen – als zweitbeste Konditorin des gesamten Handwerkskammerbezirks Stuttgart.

Ihre Arbeitgeberin Katharina Fischer tut sich schwer, neue Ausbildungsplätze als Bäcker, Konditoren und Fachverkäufer zu besetzen und sucht noch Lehrlinge zu Anfang September – wie ganz viele Betriebe auf den Fildern und in Schönbuchgemeinden.

„Wir bieten zwölf Ausbildungsplätzean, aber wir haben nur drei besetzt bekommen“, sagt Katharina Fischer. Sie und ihr Vater Wolfgang Treiber sind die beiden Geschäftsführer der Backmanufaktur in Steinenbronn. „Bei uns fängt beispielsweise niemand als Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk an“, sagt Fischer. Sie bedauert das – denn das bedeutet weniger Stammpersonal in den Filialen.

Dort arbeiten zwar auch Aushilfen, die sind aber teils nur einen Tag in der Woche da. „Vollzeitkräfte sind öfter da, und in der Regel identifizieren sie sich stärker mit dem Unternehmen.“ Außerdem gehöre zu dem Beruf viel mehr, als nur zu kassieren. „Man unterschätzt, was Fachverkäuferinnen wissen müssen. Das reicht von der Produktkenntnis über Allergene und Bestellungen bis hin zu Zusatzverkäufen, wenn der Verkäufer merkt, dass der Kunde seinen Blick über die Brote schweifen lässt.

Viele wollen lieber bei Autokonzernen arbeiten

Die Bäckerei Treiber sucht auch noch Bäcker und Konditoren. „Der Beruf des Bäckers ist für viele junge Leute nicht attraktiv. Das ist ein Problem unserer Branche“, sagt Fischer. Sie hat den Eindruck, dass junge Leute lieber bei Autokonzernen arbeiten möchten. Fischer will offensiv mit dem Problem umgehen und für die Berufe in ihrem Unternehmen mehr werben. Darum möchte sie jungen Leuten in nächtlichen Führungen zeigen, wie Bäcker und Konditoren arbeiten. Wichtig sind Fischer auch die Arbeitsbedingungen im Unternehmen: „Wir zahlen übertariflich, bieten unseren Azubis mehr Urlaub und zahlen Erfolgsprämien“, zählt sie auf. Für sie sind gute Mitarbeiter wichtig, denn ohne Menschen lassen sich Brot, Brötchen und Kuchen nicht herstellen: „All das ist zu 80 Prozent Handarbeit.“

Laura Futschik mag ihren Beruf, und sie stört auch nicht, dass sie arbeitet, wenn andere schlafen: „Ich bin ein Nachtmensch. Darum kommt mir das entgegen.“ Wann sie schläft, ist ganz unterschiedlich. „Das kommt drauf an, was ich den Tag über so vorhabe.“ Momentan nutzt sie die Zeit tagsüber, um Fahrstunden zu nehmen.

Während ihre Kollegen die Streuselkuchen weiter bearbeiten und Löcher hineinstanzen, damit der Hefeteig gut und gleichmäßig gehen kann, berichtet Futschik von ihrem Beruf: „Ich finde es toll, wie ich all die Zutaten kombinieren kann und dann daraus etwas Neues entsteht.“

Es gibt noch jede Menge freie Ausbildungsplätze

Ihre Chefin Fischer hofft, dass sich noch Azubis in spe bewerben. „Wir werden uns diejenigen generell anschauen.“ Dass die sich nun kurz vor knapp kümmern, sei nicht so wild. „Wir werden schon danach fragen, aber dafür gibt es ja viele Gründe: Jemand hat keinen Studienplatz bekommen, ist gereist oder hat etwas rumgedümpelt.“ Wichtig für sie sei bei Bewerbern die Liebe zu Lebensmitteln und die Persönlichkeit der Bewerber. „Sie sollten gerne im Team arbeiten.“

Gerd Kistenfeger, der Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Handwerkskammer Region Stuttgart, sagt, dass die Bäckerei Treiber kein Einzelfall ist. „Es gibt noch jede Menge freie Ausbildungsplätze etwa als Fleischer, Maler, Friseur und Goldschmied.“ Er rät den Bewerbern, ihre Unterlagen vorbeizubringen. „Dann gibt es den ersten Kontakt, aus dem sich vielleicht mehr ergibt.“ Das könne etwa ein Schnupperpraktikum sein. „Da schauen die Unternehmer, wie talentiert Bewerber sind.“ Kistenfeger stellt klar: „Eine Handwerksausbildung lässt sich nicht mit links machen.“

Dieter Proß, der Leiter der Berufsbildung der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, hat den Eindruck, dass rund um die Landeshauptstadt so viele Lehrstellen unbesetzt sind wie noch nie. In der Lehrstellenbörse zählt er 820. Besonders händeringend werden Verkäuferinnen und Kaufleute im Einzelhandel gesucht. Dabei sind 123 beziehungsweise 123 Stellen offen. Gefolgt von 52 freien Ausbildungsplätzen zu Hotelfachleuten und 50 als Kaufleute für Bürokommunikation. Aus seiner Sicht hat die hohe Zahl der unbesetzten Lehrstellen mehrere Gründe: „Es kommt immer darauf an, wie gut sich Firmen bei der Suche vermarkten. Der zweite Grund ist der Trend zu immer höheren Bildungsabschlüssen wie dem Studium.“