Technisches Verständnis ist wichtiger als gute Noten. Foto: Jan Reich

2013 konnte die Deutsche Bahn ihre 400 Ausbildungsplätze in der Region Südwest alle besetzen. Um sich aber langfristig am Bewerbermarkt behaupten zu können, will die Bahn mit sicheren Arbeitsplätzen und einem Job vor der Haustür punkten.

2013 konnte die Deutsche Bahn ihre 400 Ausbildungsplätze in der Region Südwest alle besetzen. Um sich aber langfristig am Bewerbermarkt behaupten zu können, will die Bahn mit sicheren Arbeitsplätzen und einem Job vor der Haustür punkten.

Stuttgart - Das Geräusch muss man mögen. In der Werkstatt der Oberleitungsinstandhaltung der DB-Netz AG in Zuffenhausen sägt Sebastian Groß mit einer Eisensäge ein Stück von einem massiven Kupferrohr ab. Der 19-Jährige ist einer von neun Teilnehmern, die sich beim dreitägigen Technik-Camp über Berufe wie Gleisbauer, Elektroniker für Betriebstechnik und Mechatroniker informieren.

Zusammen mit Gruppenleier Erich Sorgenfrei erstellen Sebastian und vier weitere Jugendliche gerade eine Mini-Oberleitung. Zunächst wird gesägt und gefeilt, dabei ist Ausdauer und auch ein bisschen Kraft gefragt. Der letzte Schritt erfolgt mit Hilfe einer Presszange. „Das ist ein filigranes Geschäft, dafür braucht man auch Fingerspitzengefühl“, sagt Erich Sorgenfrei.

Beim Blick hinter die Kulissen erfahren die jungen Leute, was ein Turmverbrennungswagen macht, wie man Schienen wechselt oder wie eine Oberleitung funktioniert. Sebastian Groß wird sich nach dem Crash-Kurs wohl eher nicht für eine Ausbildung bei der Bahn entscheiden. Der Marbacher studiert derzeit Archäologie und Geschichte und hat bei der Wahl der Fächer danebengegriffen. Eine Alternative wäre ein technischer Studiengang. „Und damit ich nicht wieder falsch liege, schaue ich mir das Ganze mal von der praktischen Seite an.“

Furkan Düzenli hingegen hat sich schon um eine Stelle als Gleisbauer beworben. Im Moment besucht der 17-Jährige die Akademie für Kommunikation mit Schwerpunkt Medientechnik. Eine falsche Wahl. „Ich möchte etwas Handwerkliches machen. Das hier macht viel Spaß“, sagt Furkan. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Die DB-Netz setzt auf ein dreigliedriges System aus Berufsschule, dem betrieblichen Einsatz sowie dem DB-Training in der jeweiligen Ausbildungsstätte. Der junge Mann aus Degerloch hat den Internet-Test der Bahn bereits absolviert, bestanden und wartet auf eine Einladung.

"Zeugnisnoten sind nicht ausschlaggebend"

„Zeugnisnoten sind für Auszubildende nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium“, sagt Carolin Krüger, Personalreferentin in Stuttgart bei DB Netz. Der Onlinetest ist abgestimmt auf die Fähigkeiten, die für die Fachrichtung nötig ist. Furkan Düzenli verfügt demnach über das entsprechende mechanisch-technische Verständnis.

Ob Sebastian, Furkan oder die anderen Praktikanten – alle werden von Till Grohmann unauffällig bei der Arbeit beobachtet. Der Bezirksleiter macht sich Notizen, schaut, ob die Jugendlichen die Bereitschaft mitbringen, etwas zu lernen. „Die Bewertung geht dann auch in eine mögliche Bewerbung ein“, sagt Grohmann.

Noch kann er sich seine künftigen Azubis aussuchen. Doch der Kampf um qualifizierte Bewerber wird immer schwieriger. „Auf Messen gibt es oft mehr Stände als Schüler“, sagt Grohmann. Deshalb setzt die Bahn auf zwei Strategien – zum einen darauf, sich als attraktiver Arbeitgeber in Szene setzen und mit Aktionen in Schulen aktiv zu werden.

Fast alle Azubis werden unbefristet übernommen

Seit 2013 läuft die Kampagne „Kein Job wie jeder andere“ in diversen Medien, und die Bahn nutzt vermehrt soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter. „Für junge Menschen spielt das Thema Sicherheit und ein Job vor der Haustür eine immer größere Rolle“, sagt Carolin Krüger. Das größte deutsche Staatsunternehmen wirbt auch damit, dass quasi 99 Prozent der Azubis ohne befristeten Vertrag übernommen und in ihrem Ausbildungsgebiet eingesetzt werden.

„Zudem besteht immer noch die Chance, sich als Techniker oder Meister weiter zu qualifizieren“, sagt Carolin Krüger. Mit einem Altersdurchschnitt von 46 Jahren in Deutschland muss die Bahn auch bei den bereits ausgebildeten Fachkräften jedes Jahr mehrere Tausend Beschäftigte neu einstellen. 2013 waren es 11 500.

Im vergangenen Jahr gab es auf 4000 Ausbildungsplätze in 50 Berufen bundesweit 60 000 Bewerber. In der Region Südwest waren es 400 Stellen. „Wir konnten hier alle Stellen besetzen, aber wir müssen uns künftig mehr anstrengen, dass es auch so bleibt“, sagt eine DB-Sprecherin. In Stuttgart herrsche quasi Vollbeschäftigung und andere Großkonzerne und weltweit engagierte Mittelständler konkurrieren mit.

„Im kaufmännischen Bereich tun wir uns leichter, Jobs wie Gleisbauer sind eher unbekannt“, sagt Carolin Krüger. Deshalb besuchen Azubi-Botschafter ihre ehemaligen Schulen, um für ihren Arbeitgeber zu werben oder die Technik-Camps. Zumindest Furkan Düzenli hat der Besuch in der Werkstatt überzeugt.