Gefährdete Vogelart: Landesweit gibt es derzeit rund 2500 Rotmilanpaare. Foto: dpa-Zentralbild

Grün-Rot hat sich ein klares Ziel gesetzt: Bis 2020 soll es 1200 neue Windräder im Land geben. Doch die SPD rückt von diesem Plan nun ab. Mehr noch: Sie riskiert Ärger mit den Naturschützern.

Stuttgart/Baiersbronn - Andre Baumann gilt als leidenschaftlicher Kämpfer für die Sache. Wo immer der Landeschef des Naturschutzbundes (Nabu) auftaucht, versucht er mit der Argumenten zu überzeugen. Das war schon während des monatelangen Streits um den Nationalpark Nordschwarzwald so, und es zeichnet sich auch jetzt wieder ab, nachdem die grün-rote Koalition um ihr Ziel ringt, bis zum Jahr 2020 insgesamt 1200 neue Windräder in Baden-Württemberg errichten zu lassen.

Schmiedel: "Im Zweifel muss nicht immer geprüft werden, ob ein Windrad den Rotmilan am Hinterkopf erwischt"

Der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Claus Schmiedel hatte vergangene Woche dieses Ziel infrage gestellt, als er mit EnBW-Chef Frank Mastiaux in Baiersbronn im Rahmen der Gesprächsreihe „Dunkle Wälder – bunte Perspektiven“ um die Erfolgsaussichten der Energiewende rang. Wenn man das Ziel des Windkraftausbaus nicht erreiche, sei das „nicht so wichtig“, hatte Schmiedel gesagt. Der Grund für die schwierige Umsetzung des Koalitionsvorhabens sei „das unterschätzte europäische Naturschutzrecht“, zudem herrsche bei den Landratsämtern und Regierungspräsidien, ja auch bei den Forstbehörden und Naturschutzverbänden noch so manche Blockadehaltung. Um beim Ausbau der Windkraft voranzukommen, müsse im Zweifel nicht immer geprüft werden, „ob ein Windrad den Rotmilan am Hinterkopf erwischt“. Man könne nicht jedes einzelne Tier schützen, sonst gehe „überhaupt nichts“.

In Baden-Württemberg leben zehn bis 15 Prozent des Weltbestands der Vogelart

Eine Aussage, die auf der grünen Seite der Koalition, aber auch bei Naturschützern übers Wochenende für reichlich Kopfschütteln sorgte. „Deutschland trägt eine große Verantwortung für den Erhalt des Rotmilans“, sagte Nabu-Landeschef Baumann am Montag den Stuttgarter Nachrichten. Allein in Baden-Württemberg würden „zehn bis 15 Prozent des Weltbestands“ dieser bedrohten Vogelart leben. Da sei „ein Pauschalurteil“ wie von Schmiedel „wenig hilfreich“. Es dürfe „kein Entweder-oder, sondern es muss ein Sowohl-als-auch geben“, so Baumann mit Blick auf Windkraft und Artenschutz. Wichtig sei es, dass es fürs Land endlich eine verlässliche Übersicht gebe, in welchen Regionen der Rotmilan ansässig sei und in welchen Regionen er scheinbar erst dann auftauche, wenn der Bau einer Windkraftanlage geplant werde. „Der Windkraftausbau darf nicht länger im Blindflug betrieben werden“, so Baumann in Anlehnung an einen Fall in Horb (Kreis Freudenstadt), wo Windräder entstehen sollten, dann aber der schutzbedürftige Vogel alle Planungen zunichte machte. Schmiedel hatte in Baiersbronn mit Blick auf langwierige Genehmigungsverfahren vor einem „S-21-Effekt“ bei den Bürgern gewarnt.

Auch der bisherige EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte die langwierigen Prüfungen durch die Behörden kritisiert: „Eine Beschleunigung in den Verfahren hilft allen.“Es sei vielmehr wichtig und dringend notwendig, so die Diskutanten, dass das Land eine verlässliche Datengrundlage schaffe, um den Konflikt zwischen Energiepolitik und Artenschutz zu entschärfen.

Zwei Jahre hat die Landesanstalt für Umwelt und Naturschutz die Brutvorkommen des Rotmilan ermitteln lassen

Und siehe da. Am Montag legten Naturschutzminister Alexander Bonde und sein Umweltkollege Franz Untersteller (beide Grüne) die seit langem erwartete Kartierung vor, in welchen Regionen des Landes die rund 2500 Rotmilanpaare derzeit vor allem ansässig sind und wo der Bau von Windrädern eher möglich erscheint. „Die jetzt vorliegenden Daten sind eine detaillierte und wichtige Hilfestellung bei der Planung von Windkraftanlagen“, betonten beide Minister. Zwei Jahre habe die Landesanstalt für Umwelt und Naturschutz die Brutvorkommen des Rotmilan ermitteln lassen, die Kartierung werde nun den Behörden zur Verfügung gestellt. „Die sorgfältige Erhebung zeigt, dass wir weder unsere energiepolitischen Ziele aufgeben noch den Natur- und Artenschutz vernachlässigen“, so Bonde und Untersteller. Eine Aussage wie ein Flügelschlag Richtung Koalitionspartner SPD.