Keba Pape-Ami setzt einen Thuja zwischen mehrere Eiben – Pflanzen, die er bis vor eineinhalb Jahren nicht kannte. Foto: Horst Rudel

Die einen suchen händeringend Nachwuchs, die anderen eine Zukunft: Gartenbaubetriebe und Flüchtlinge machen gemeinsame Sache.

Region Stuttgart - Er ist dick eingepackt, trägt einen zusätzlichen Pulli unter dem grünen Sweatshirt und eine bunte Wollmütze auf dem Kopf. „Ja, die Kälte ist ein bisschen schwierig“, gibt Keba Pape-Ami zu. „Deutschland ist immer ein bisschen kalt. Aber die Arbeit gefällt mir.“ Seine dunklen Augen blitzen dabei so munter, dass man ihm gerne glaubt, dass ihm der neue Job trotz des Wintereinbruchs im April Spaß macht. Seit einem halben Jahr arbeitet der Gambier zur Einstiegsqualifizierung in der Göppinger Gärtnerei Jeutter mit. Gerade setzt er mit Dominik Weigl zwei Thujabäume in einem Vorgarten in Jebenhausen. Im Herbst fängt der 21-Jährige, der vor eineinhalb Jahren nach Deutschland geflüchtet ist, seine Lehre als Garten- und Landschaftsbauer an.

Wie Pape-Ami haben 70 Flüchtlinge im Land eine grüne Zukunft gefunden. Bundesweit haben Willkommenslotsen des Garten- und Landschaftsbauverbands im vergangenen Jahr 150 Flüchtlinge als Praktikanten, Lehrlinge oder Mitarbeiter in ihre Betriebe vermittelt, in der Region Stuttgart sind es 20. Ein Glück für beide Seiten: Die Flüchtlinge bekommen eine Chance, die Betriebe sichern sich Fachkräfte. Denn so schön der Beruf auch sein kann, „bei Wind und Wetter rauszumüssen, ist manchmal hart“, sagt Andreas Haupert. Viele Jugendliche streben deshalb eher einen Bürojob an als eine Gartenbaulehre.

Bundesweit sechs Willkommenslotsen im Garten- und Landschaftsbauverband

Haupert ist als einer von bundesweit sechs Willkommenslotsen im Garten- und Landschaftsbauverband für Baden-Württemberg zuständig. Er berät Betriebe, die Flüchtlinge beschäftigen möchten, erklärt ihnen die rechtlichen Voraussetzungen und informiert sie über Fördermöglichkeiten. Daneben versucht er, sein Netzwerk an Kontakten zu allen Stellen auszuweiten, die mit Flüchtlingen arbeiten. Und er setzt sich dafür ein, dass die Regeln für die Beschäftigung übersichtlicher werden. Warum ihm das wichtig ist, zeigt ein Beispiel aus dem Kreis Ludwigsburg.

Der Afghane Morteza Hosseini spricht gut Deutsch und wird von seiner Pflegefamilie tatkräftig unterstützt. Vor kurzem hat er den Führerschein gemacht. In der Gärtnerei Schmid in Vaihingen/Enz könnte der 18-Jährige eine Lehre anfangen. Er träumt bereits davon, eines Tages die Meisterprüfung zu bestehen. Doch schon auf das zweiwöchige unbezahlte Praktikum musste er mehr als zwei Monate warten. „Die Behörden konnten sich nicht einigen, wer für die Genehmigung zuständig ist.

Dabei ging es ja nur um ein kurzes Praktikum und nicht um eine bezahlte Arbeit“, berichtet der Juniorchef Johannes Schmid. „Da scharrt ein junger engagierter und gebildeter Mann mit den Hufen und möchte seine Ausbildung beginnen, wird aber vom Staat blockiert. So lösen wir weder den Fachkräftemangel noch das Integrationsproblem“, kritisiert die Chefin Ursula Schmid. Haupert berichtet, dass es bisher oft Glückssache sei, ob ein Praktikum oder eine andere Maßnahme genehmigt werde. „Je nachdem, wen man am anderen Ende der Leitung hat.“ Manchmal entscheide die eine Ausländerbehörde so, die andere in einer Kommune nur ein paar Kilometer weiter völlig anders.

Jeden Tag zwei neue Fachbegriffe

Nach langem Hin und Her wurde Hosseinis Praktikum dann doch noch genehmigt – auch weil sich Haupert eingeschaltet hatte. Ob der Afghane seine Lehre im Herbst beginnen kann, hängt nun davon ab, wie sein Asylverfahren weitergeht. Vor kurzem hatte er eine Anhörung. Johannes Schmid hofft, dass der Betrieb bis in zwei Monaten Bescheid weiß, ob der 18-Jährige in Deutschland bleiben darf. „Wir würden ihn mit Kusshand nehmen, ich habe selten einen so engagierten und wissbegierigen Praktikanten erlebt.“

Dass sich viele junge Flüchtlinge als tüchtige Lehrlinge erweisen, kann auch Martin Jeutter bestätigen. Er beschäftigt neben Pape-Ami noch den 28-jährigen Celestine Iheme aus Nigeria. Der Christ floh vor der religiösen Verfolgung in seiner Heimat. Der Analphabet Pape-Ami hat inzwischen – auch mit Hilfe der Jeutters – zu lesen und schreiben gelernt und wie Iheme fast das Sprachniveau B1 erreicht – die Voraussetzung, um die Ausbildung zu beginnen. Natürlich müsse man am Anfang etwas mehr Zeit investieren, sagt Martin Jeutter. Aber das lohne sich. „Wir wollen, dass sie am Ende genauso gut ausgebildet sind wie unsere anderen Mitarbeiter.“

Tatsächlich lernen Keba Pape-Ami und Celestine Iheme schon jetzt jeden Tag zwei deutsche Fachbegriffe und schreiben – wie die Lehrlinge – jede Woche einen kleinen Arbeitsbericht zur Übung. Tag für Tag wird ihnen die fremde Fauna und Flora etwas vertrauter. „In Gambia“, erzählt Pape-Ami, „gibt es fast keine Thujabäume und Eiben. Apfelbäume gibt es gar nicht. Dafür haben wir dort Mangobäume und Bananen.“ Die Pflanzen in dem deutschen Vorgarten in Jebenhausen kann er inzwischen trotzdem schon benennen: gelb blühende Mahonien, Fichten, die in den Himmel ragen, einzelne bunte Tulpen und Rosen, die sich erst im Sommer entfalten werden.

Hilfe bei bürokratischen Hürden

Willkommenslotsen:
Seit dem vergangenen Jahr unterstützen 150 Willkommenslotsen kleine und mittlere Firmen bei der Besetzung offener Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Flüchtlingen. Sie betreuen die Unternehmen als zentrale Stelle bei allen Fragen rund um die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung, Praktikum oder Beschäftigung und sind bei Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern und Berufsverbänden angesiedelt.

Region:
Im Kreis Esslingen sind acht Flüchtlinge über das Programm in Gartenbaubetrieben untergekommen (Kreis Böblingen zwei, Kreis Göppingen zwei, Kreis Ludwigsburg einer, Rems-Murr Kreis sechs und Stadtkreis Stuttgart einer).