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Die Absage Berlins an einen Auftritt des türkischen Präsidenten zeigt, wie stark sich die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei verschlechtert haben: Der Streit um Denis Yücel, das Besuchsrecht in Incirlik und Nazi-Vergleiche fordern ihren Tribut.

Stuttgart - Berlin - Die Bundesregierung verbietet dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, am Rande des G-20-Treffens in Hamburg zu seinen Anhängern in Deutschland zu sprechen. Das erklärte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag. Das Kanzleramt ließ umgehend wissen, dass diese Haltung mit Kanzlerin Angela Merkel abgestimmt sei. Die türkische Regierung reagierte empört auf die Ankündigung.

Diesmal zeigt sich die Bundesregierung gegenüber Ankara also hartleibig – anders als im Frühjahr, als sie Auftrittsverbote für türkische Minister in Deutschland im Vorfeld des türkischen Verfassungsreferendums den Kommunen überließ. Außenminister Sigmar Gabriel bestätigte zunächst am Rande eines Besuchs im russischen Krasnodar, dass der türkische Präsident im Umfeld des G-20-Treffens in Hamburg in Deutschland zu seinen Anhängern sprechen wolle. „Wir haben eine offizielle Anfrage der Türkei“, sagte Gabriel. Er habe aber den türkischen Kollegen bereits vor Wochen gesagt, dass wir das für keine gute Idee hielten. Man habe rund um den G-20-Gipfel gar nicht die Polizeikräfte, um die Sicherheit herzustellen, so Gabriel.

„Das ist nicht angemessen“

Der Außenminister beließ es aber nicht bei dieser organisationstechnischen Begründung, sondern machte unmissverständlich klar, dass auch eine entspanntere Sicherheitslage die Bundesregierung nicht dazu bewogen hätte, den Auftritt zu gestatten: „Ich habe auch ganz offen gesagt, dass ein solcher Auftritt angesichts der Konfliktlage, die es mit der Türkei gibt, nicht angemessen wäre und derzeit nicht in die Landschaft passt.“ Natürlich sei Erdogan „ein wichtiger Gast auf dem G-20-Gipfel, der von uns mit allen Ehren empfangen wird.“ Aber „alles, was darüber hinausgeht“ halte er „nicht für angemessen“.

Damit ist klar: Die Bundesregierung verschärft die Gangart gegenüber Erdogan, nachdem man lange Zeit harte Botschaften vermieden hatte. Aber das Gezerre um die Freilassung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel und anderer Inhaftierter, Berichte über türkische Spitzel auf deutschem Boden, Nazi-Vorwürfe im Vorfeld des Verfassungsreferendums und der Streit über Besuchsrechte für Abgeordnete bei deutschen Soldaten in Incirlik haben die Haltung in Berlin offenbar verhärtet.

Die türkische Regierung reagierte mit scharfer Kritik. „Es ist bedauernswert, dass deutsche Politiker inakzeptable Äußerungen machen, die offenbar durch politische Erwägungen motiviert sind“, erklärte das Außenministerium in Ankara. Erdogans Sprecher kritisierte, dass während dem Präsidenten das Rederecht in Deutschland verweigert werde, sich „die Europäer um Terrororganisationen, Putschisten und Gesetzlose scharen“.

Keine „Lex Türkei“

Berlin will aus der Absage indes keine „Lex Türkei“ machen. Der hier lebenden türkischstämmigen Bevölkerung soll nicht der Eindruck vermittelt werden, gegen türkische Anliegen werde mit besonderer Härte vorgegangen. Man werde deshalb, so Gabriel, jetzt „sogar noch einen Schritt weitergehen“. Bisher habe man Auftritte ausländischer Politiker stets ermöglicht, wenn diese bei ihren Landsleuten hierzulande auf Stimmenfang gehen wollten. Nun wolle man „allen Staaten, die nicht der EU angehören, nicht nur der Türkei“, mitteilen, „dass wir keine Wahlkampfauftritte bei uns erlauben, die auch dem Ziel dienen, die innenpolitischen Konflikte eines anderen Landes nach Deutschland zu bringen“.

Im Frühjahr hatten sich Merkel und Gabriel noch gegen ein regierungsamtliches Auftrittsverbot ausgesprochen. Damals überließen sie die Entscheidung den Kommunen, die nach dem Versammlungsrecht vorgehen sollten. Unter anderem im baden-württembergischen Gaggenau und in Köln wurden Wahlkampfauftritte türkischer Minister auf dieser Grundlage von den lokalen Behörden untersagt. Die Bundesregierung hätte sich da schon klar positionieren können, denn das Oberlandesgericht Münster hatte bereits 2016 deutlich gemacht, dass die Bundesregierung solche Auftritte verhindern kann. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte im März diese Rechtsaufassung. Dies ergebe sich aus Artikel 32 des Grundgesetzes, der besagt: „Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.“