Detlev Zander betrachtet Fotos aus der zeit in einem Kinderheim der Brüdergemeinde Korntal Foto: dpa

Bei der Zusammenkunft der in den 50er und 60er Jahren missbrauchten Korntaler Heimkinder zeigt sich, dass die in unterschiedlichen Gruppierungen organisierten Opfer untereinander zerstritten sind.

Stuttgart - Die in den 50er und 60er Jahren missbrauchten Korntaler Heimkinder haben sich jetzt zu Gesprächen getroffen. In Anwesenheit des Regensburger Anwalts Ulrich Weber ging es auch um die Frage, ob sie in der Aufarbeitung des Missbrauchs einen Fürsprecher benötigen.

Rund 20 Erwachsene, die als Heimkinder Opfer von sexuellem Missbrauch, von physischer und psychischer Gewalt in den Einrichtungen der evangelischen Brüdergemeinde wurden, applaudierten am Samstag dem Juristen aus Regensburg. Der Anwalt klärt derzeit die Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen auf und war auf Bitten von Detlev Zander, selbst ein Missbrauchsopfer, gekommen. Er erklärte, dass sich weder Zander noch die anderen Opfer auch im Rahmen der Aufarbeitung „für nichts rechtfertigen“ müssen. Zander hatte die Vorfälle 2014 öffentlich gemacht.

Das Treffen hatte in den Geschäftsräumen der Betroffenen Angelika Bandle auf den Fildern stattgefunden. Eigentlich habe er nichts zu sagen, weil er keinen Auftrag für ein Engagement in Korntal habe, machte Weber deutlich. „Aber nun muss ich mit Erschrecken feststellen, wie hier kommuniziert wird“, sagte er in Anwesenheit des Brüdergemeinde-Vorstehers Klaus Andersen sowie Veit-Michael Glatzle, dem Geschäftsführer der Brüdergemeinde-Diakonie. Diese verantwortet heute die Kinderheime, in denen es in den 50er und 60er Jahren zum Missbrauch kam. Glatzle und Andersen hatten sich mit Zander, Michael Spreng und Martina Poferl einen Schlagabtausch über Debatten in der Steuerungsgruppe geliefert. Dabei warf Glatzle ihnen vor, die Unwahrheit zu sagen.

Am Samstag fand das Opfertreffen statt

Die Fünf hatten in der Steuerungsgruppe unter Leitung von Mechthild Wolff den Aufarbeitungsprozess konzipiert. Die Erziehungswissenschaftlerin hat inzwischen das Aus der Steuerungsgruppe verkündet mit dem Verweis, die Teilprojekte – etwa die Entschädigungszahlungen – nun an die jeweils Verantwortlichen abzugeben. Sich selbst beschränkt sie seither auf die wissenschaftliche Aufarbeitung. Daraufhin entzogen ihr die Betroffenen in der Steuerungsgruppe, die alle auch im Selbsthilfeverein „Netzwerk Betroffenenforum“ engagiert sind, das Vertrauen. Jene Betroffenen, die keinen Zugang zur Steuerungsgruppe hatten, schlossen sich zwischenzeitlich zur Arbeitsgemeinschaft Heimopfer zusammen. Sie sehen sich in ihrer Grundsatzkritik an Wolff bestätigt. Beide Opferverbände sind zerstritten.

In dieser Situation fand nun am Samstag das Opfertreffen statt. Das Netzwerk Betroffenforum hatte dazu eingeladen. Zander stellte unter anderem vor, was die Steuerungsgruppe erarbeitet hatte.

Mit Werner Hoeckh und Theo Kampouridis waren auch Vertreter der AG gekommen. Kampouridis zeigte sich am Ende enttäuscht darüber, dass ein Gespräch zwischen den zerstrittenen Gruppen nicht möglich ist. Immer wieder hatten die Anwesenden sich am Nachmittag gegenseitig attackiert. Einig waren sie sich aber darin, derzeit nicht mit Wolff weiterarbeiten zu wollen. „Ich habe kein Vertrauen mehr in sie“, sagte Angelika Bandle. Sie forderte eine unabhängige Vertrauensperson.

Ulrich Weber betonte, wie wichtig eine Vertrauensperson für die Betroffenen sei. Die müsse zuhören und den Missbrauchsopfern Antworten auf die Fragen geben, die ihnen auf der Seele brennen. Weber bekräftigte zwar seine Hilfsbereitschaft. Aber Andersen reagierte ablehnend mit dem Verweis auf beschlossene Projektstrukturen. Allerdings bestätigte er auf Nachfrage, dass die Verträge mit Wolff noch nicht unterzeichnet seien. „Vielleicht muss uns noch mehr einfallen als das, was auf dem Tisch ist“, schränkte er später ein. Am nächsten Samstag wollen sich dazu die Beteiligten treffen.