Der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Foto: dpa

Auch im baden-württembergischen Landtag haben die jahrelang unentdeckt gebliebenen NSU-Morde ein parlamentarisches Nachspiel. Grüne und SPD wollen eine Enquete-Kommission einsetzen. Ist damit ein Untersuchungsausschuss vom Tisch?

Auch im baden-württembergischen Landtag haben die jahrelang unentdeckt gebliebenen NSU-Morde ein parlamentarisches Nachspiel. Grüne und SPD wollen eine Enquete-Kommission einsetzen. Ist damit ein Untersuchungsausschuss vom Tisch?

Stuttgart - Grüne und SPD wollen im Landtag eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung des Themas Rechtsextremismus und der NSU-Mordserie einsetzen. Eine entsprechende Empfehlung soll den Regierungsfraktionen zur Abstimmung am Dienstag vorgelegt werden, hieß es am Freitag in Stuttgart. Die Grünen hatten bislang einen Sonderausschuss befürwortet. Sie kamen nun der SPD entgegen mit der Begründung, dass der Arbeitsauftrag stimme. Die Enquete im Landtag soll zwei Themenkomplexe aufarbeiten: Zum einen geht es um die Verbindungen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) nach Baden-Württemberg, zum anderen darum, rechtsextremen Entwicklungen vorzubeugen.

Den NSU-Terroristen werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Die NSU-Mitglieder hatten vielfältige Kontakte nach Baden-Württemberg, die zum Teil noch Gegenstand von Untersuchungen des Generalbundesanwaltes sind.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Uli Sckerl, sagte, die Enquete solle die Entwicklungen seit 1991 politisch aufarbeiten. Dabei solle es zum Beispiel um die Frage gehen, welche Auswirkungen der NSU auf die rechtsextreme Szene im Südwesten hatte und wie der entstandene Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden überwunden werden könne. Auch die Behörden im Südwesten hatten von den jahrelangen NSU-Umtrieben nichts mitbekommen. In einem zweiten Teil soll die Enquete-Kommission Strategien gegen Rechtsextremismus erarbeiten. Möglichst zum Jahresende soll das Gremium dem Landtag Empfehlungen vorlegen.

Die Frage, wie der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden kann, soll hingegen laut Sckerl in dem Gremium nicht im Vordergrund stehen. „Das ist originäre Regierungsaufgabe.“ Die Grünen halten sich auch weiter einen Untersuchungsausschuss offen, wenn im Münchner Prozess gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe neue Erkenntnisse ans Licht kommen. „Es kann sein, dass ein Untersuchungsausschuss unabhängig von der Enquete-Kommission noch Thema wird“, sagte Sckerl.

Gemäß seiner Geschäftsordnung kann der Landtag zur Vorbereitung von Entscheidungen „über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte“ eine Enquete-Kommission einrichten. Ein entsprechender Antrag muss von einem Viertel der Parlamentarier oder von zwei Fraktionen unterstützt werden. Der Vorsitz der Enquete-Kommission läge nun bei den Grünen. Erst am Donnerstag hatte der Landtag eine solche Kommission zum Thema Pflege eingesetzt.