Fernbusse sind günstig und fahren immer mehr Ziele an - in Deutschland, aber auch im Ausland. Foto: Fotolia/Petair

Immer mehr Reisende steigen von der Schiene auf die günstigen Überlandbusse um. Aktuell zählt die Suchmaschine GoEuro rund 265 Städteverbindungen.

Freitagmittag, 12.20 Uhr, am Flughafen Stuttgart. Der grüne Linienbus ist restlos besetzt. Die Fahrt soll nach genau drei Stunden in München enden. Spektakulär ist vor allem der Preis: Wer rechtzeitig gebucht hat, der bekommt die mehr als 200 Kilometer lange Fahrt für acht Euro. Mit der Deutschen Bahn wäre man 47 Minuten schneller. Der ICE braucht 2:13 Stunden und startet am Hauptbahnhof. Dafür ist er aber auch teurer: 57 Euro Normalpreis nennt die Bahn-Website für eine Fahrkarte zweiter Klasse. Es stimmt also, was die Stiftung Warentest bereits vor einem Jahr festgestellt hat: Mit den Fernbussen kann man spottbillig quer durch Deutschland fahren. Das braucht zwar meistens seine Zeit, spart aber Geld.

Regelmäßige Busfahrer pochen noch auf weitere Vorteile: Sie freuen sich über den festen Sitzplatz ohne Aufschlag, dazu nutzen sie unterwegs gern das kostenloses WLAN an Bord und inzwischen auch viele direkte Verbindungen, wo man mit der Bahn umsteigen müsste. Wie schnell die Zeit vergeht: Erst Anfang 2013 ist der Fernbusverkehr liberalisiert worden. Damals hat die Bundesregierung das 70 Jahre alte Verbot für Fernbusse aufgehoben. Seitdem mischen Anbieter wie Mein Fernbus/Flixbus, Postbus und Megabus den Verkehr innerhalb Deutschlands gehörig auf. Binnen nicht mal zweieinhalb Jahren ist eine echte Konkurrenz für die Deutsche Bahn entstanden. Im ersten Jahr beförderten die neuen Buslinien neun Millionen Passagiere, im zweiten waren es bereits doppelt so viele. Und dieses Jahr geht das Bundesverkehrsministerium von mindestens 25 Millionen Busreisenden aus. Angelockt werden sie vor allem von den Preisen: Wer früh bucht und sich die Schnäppchen herauspickt, der reist meist schon ab acht oder neun Euro quer durchs Land.

Rund 265 Städteverbindungen

Der britische Günstig-Fernbusanbieter Megabus fährt neuerdings sogar zu Ticketpreisen ab einem Euro zwischen 14 deutschen Städten hin und her. Aktuell zählt die Suchmaschine GoEuro rund 265 Städteverbindungen. Auch die Zahl der Strecken ins europäische Ausland wächst rasant - vor allem in die Niederlande, die Schweiz und in die osteuropäischen Staaten. 265 Linien, die mehr als 500 Städte verbinden: Da fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Den versprechen Internetvergleichsportale wie Busticket.de, CheckmyBus.de und Fahrtenfuchs.de. Außer dem Preis vergleichen sie längst auch Service und Reisedauer, informieren über Fahrradmitnahme und Gepäckgebühren. Die Stiftung Warentest empfiehlt die Nutzung solcher Preisvergleicher. Allerdings sollte man immer mindestens zwei Vergleichsrechner zurate ziehen. Den reinen Busfinderprogrammen rückt inzwischen eine zweite Generation von Internetportalen auf den Pelz: Anbieter wie Busliniensuche.de vergleichen gezielt Bahn und Bus.

GoEuro.de und Verkehrsmittelvergleich.de beziehen sogar Mietwagen und Flugzeug ein. Und sie verkaufen Interessenten gleich die passenden Bus-, Flug- oder Bahntickets. Genutzt werden die neuen Verbindungen vor allen Dingen von jungen Leuten. Inzwischen greifen aber auch Ferienreisende zu dem günstigen Beförderungsmittel: Jeder zehnte deutsche Urlauber bedient sich laut GoEuro.de des wachsenden Fernbusangebots. Touristische Ziele wie Garmisch- Partenkirchen, Titisee und Binz auf Rügen machen es möglich. Gerade erst kündigte Postbus an, noch „viele neue Urlaubs- und Freizeitziele“ anzusteuern. Ab Spätherbst sollen auch internationale Ziele in Angriff genommen werden. Das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Bahn. Schließlich sind etwa die Hälfte der Buskunden frühere Zugfahrer. Nach einer Studie der Beratungsfirma Iges verliert die DB aktuell pro Jahr 2,5 Millionen Fahrgäste und 120 Millionen Euro Umsatz durch die rollende Konkurrenz.

Der Wettbwerb wird härter

Die DB reagiert: Ihre eigene Fernbusmarke Berlin Linien Bus wird kräftig ausgebaut. Und im Bahnnetz gibt es nun, was nie möglich schien: attraktivere Preise und Angebote. Ein „Bahn-Spezial“-Angebot wirft Restplätze ab 19 Euro auf den Markt. Zu haben ist dieses Angebot pikanterweise nur selten über die Bahn selbst oder über ein Reisebüro, sondern vor allem über die Bus-Vergleichsportale. Im Gegensatz zu den normalen Bahn-Sparpreisen ist das neue Schnäppchenticket bis einen Tag vor Abreise erhältlich. Mehr noch: Plötzlich soll es auch neue Zuggarnituren geben. Und mehr Haltestellen: Von Heilbronn über Mönchengladbach bis Cottbus sollen ab dem dritten Quartal Zug um Zug praktisch alle Städte über 100 000 Einwohner wieder ans Intercity-Netz angeschlossen werden. Zwischen Großstädten wie Stuttgart und Frankfurt will die Bahn so gar zweimal stündlich pendeln. Geplant sind auch kostenloses WLAN und Gratis-Sitzplatzreservierung. Der Wettbewerb wird also härter.

Die ersten Busanbieter wie ADAC und City2City haben bereits aufgegeben. Der Offenbacher Pionier DeinBus schlitterte Anfang des Jahres sogar in die Insolvenz, fand inzwischen aber einen Investor und macht weiter. Die großen Unternehmen im Busgeschäft reagieren auf die Bahn ihrerseits mit noch mehr Angeboten. Allen voran die beiden Marktführer: Flixbus und Mein Fernbus wollen bis Jahresende 200 neue Fernbusverbindungen schaffen. Mehr Linien, mehr Fahrten: Das schafft auch mehr Möglichkeit für Umsteigeverbindungen. Die erwartet die Stiftung Warentest und warnt gleicht: Da droht Verspätungsgefahr. Die Tester stellten fest, dass bereits jetzt Verspätungen von zwei Stunden und mehr „durchaus im Rahmen“ liegen.

In solchen Fällen steht dem Reisenden die Erstattung des Reisepreises zu. Bereits ab 90 Minuten muss das Busunternehmen Imbiss und Mahlzeiten anbieten. Diese Regeln gelten jedoch nur für Strecken über 250 Kilometer bzw. mehr als drei Stunden regulärer Fahrzeit. Beide Kriterien erreicht der in Stuttgart gestartete Bus nicht ganz. Am Testtag braucht er länger als drei Stunden. Um 15.42 Uhr hält er am Ziel im Münchner Busbahnhof: 22 Minuten Verspätung.