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„Wieso heißt das Brötchen im Schwabenland Weckle oder Wecken und wieso in Berlin Schrippe?“, fragt Leser Roland Mücke.

Stuttgart - „Wieso heißt das Brötchen im Schwabenland Weckle oder Wecken und wieso in Berlin Schrippe?“, fragt Leser Roland Mücke. Die Aufregung, die Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse mit seiner Kritik am Begriff „Wecken“ bei den Berliner „Schwaben“ auslöste, ist in den letzten Tagen wieder abgeflaut. So kann in aller Ruhe ein Vergleich der beiden „corpora delicti“ Wecken und Schrippen vorgenommen werden, wobei uns in Bezug auf Herkunft und Verbreitung am besten das Wörterbuch der Brüder Grimm helfen kann, da deren Erklärungen bis ins Althochdeutsche reichen.

Beginnen wir mit unserem „Wecken“. Zunächst ist festzuhalten, dass dieser Begriff ein gemeingermanisches Wort mit der Grundform „wagja/wegja“ in der Bedeutung „Keil (als Werkzeug)“ darstellt. Im Althochdeutschen hieß es „wekki“ u. ä., mittelhochdeutsch „wecke, wegge“; englisch wedge, norwegisch vegg. Das „ck“ im mhd. wecke ist aus „gg“ entstanden, wobei sich diese Schreibung im Oberdeutschen, insbesondere im Alemannischen erhielt. Wecke (f.) wird später zu „weck“ verkürzt, aber auch zu „wecken“ erweitert (beide m.).

Die ursprüngliche Bedeutung „Keil“ kommt jetzt noch in den oberdeutschen Mundarten von Elsasz und der Schweiz bis Steiermark vor. Dieses Werkzeug benutzt man insbesondere beim Spalten von Holz.

Die weiteste Verbreitung hat Weck als Bezeichnung eines Backwerks gefunden, wobei man hier von der Form ausgeht: Weck ist zunächst ein Brot aus Weizenmehl in Keilform, länglich-rund mit zwei Spitzen. Der Ausdruck reicht weit zurück, da er allen westgermanischen Sprachen gemeinsam ist, er kommt außer in Deutschland und den Niederlanden auch in England vor. Um 1300 war das Wort „weck“ sowohl in Ober- wie in Niederdeutschland zuhause. Aus dem Braunschweiger Urkundenbuch: „besonders steht weck neben semmel, oft ganz gleichbedeutend gebraucht“. Mit der Zeit ist in Norddeutschland der Gebrauch von „Weck“ stark zurückgegangen, das „Brötchen“ hat ihn hauptsächlich verdrängt. Weck ist noch im Hessischen, Pfälzischen und an der Mosel zuhause, Wecken im Rheinfränkischen, Schwäbischen und Alemannischen, Wecken als Brotlaib in Bayern und Österreich.

Jetzt aber zum Gegenüber „Schrippe“ (von schripfen, mit einem Messer einritzen). Sie ist die Bezeichnung für das Berliner „Weckle“. Ihr Aussehen unterscheidet sie kaum vom Wecken. Bei Grimm erfährt man: „der teig läuft in dem ofen rund auf, und man befördert dieses dadurch, dasz man jeder schrippe nach der breite mit einem messer einen schrägen schnitt giebt, aber kurz vor dem einschieben, weil sie hierdurch ohnedem in der rinde aufspringt.“ Beheimatet ist die Schrippe in Berlin und Brandenburg, aber auch in Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern.

Fazit: Der Streit ob Schrippe oder Wecken war unnötig wie ein Kropf. Es ist in der heutigen Zeit nun mal so, dass durch Zugezogene andere Begriffe in die heimatliche Sprache einsickern, wir Schwaben können ein Lied davon singen. Doch zum Glück wird nichts so heiß gegessen, wie‘s gebacken wird. Rolf Schippert aus Oberschlechtbach hat darauf hingewiesen, dass Weckla heutzutage kaum noch aus echtem Wasserteig hergestellt werden. Dazu erreichte uns eine Zuschrift von Eugen Holz aus Korb. Herr Korb ist der Meinung: „Die besten Wasserweckla oder Briegl gibt’s entweder beim Stäffelesbeck in Wäschenbeuren oder beim Café Beck in Bartholomä.“ Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Helmut Speth aus Jettingen. Er zitiert einen Spruch seines Onkels, Hans Bleher – „dieser stammte ursprünglich aus Gruorn/Münsinger Alb) und betrieb einen kleinen Bauernhof in Möllenbronn bei Bad Waldsee, also in Oberschwaben. Bei jedem Vesper, das mit Brötchen auf den Tisch kam, hörten wir seinen Kommentar: ,Wegga mag i, aber it aufstande.‘

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