Schwäbische Wellness pur: Hiltrud Stoll und Franz Auber, alias „Hillu’S Herzdropfa“, bei ihrem viel beklatschten Auftritt im Stuttgarter Zeppelinstüble Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

20. „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Stuttgarter Zeppelinstüble, ein stattlicher Geburtstagskuchen zur Feier des Tages und zwei Dialektkünstler, die trotz ihrer rauen Sprache zum Feinsten gehören, was die schwäbische Mundartszene derzeit zu bieten haben – das nennt man eine runde Sache.

Stuttgart - Allzu oft dürfte man eine Situation wie die am Donnerstagabend beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Hotel Steigenberger Graf Zeppelin noch nicht erlebt haben: Eine Dame und ein Herr mit Badeschlappen lassen im voll besetzten Zeppelinstüble die Hüllen fallen oder vielmehr die Bademäntel und schwätzen in Badeanzug und Badehose ungeniert über Gott und die Welt. Das Besondere dabei ist nicht nur, dass sie das tun, sondern, wie sie es tun.

Die beiden, Hillu (Hiltrud) Stoll und Franz Auber, bekannt, beliebt und gefeiert als Hillu’s Herzdropfa, ziehen als Bäuerin Lena und Bauer Maddeis am heißesten Tag des Jahres eine grandiose Wellness-Show ab. Sie ist zum ersten Mal im Thermalbad, er spielt den Gönner und Kenner. „In des stenkige Wassr gang i net nai“, beschließt sie und stellt beim Blick auf das gut besuchte imaginäre Becken fest: „Do liegat ja 3000 Johr dren.“ Am Ende „saut sie naus“, und er geht in die „Sau-na“.

Bruddler und Schwertgosch

So sind sie, die schwäbischen Kabarettisten Hillu Stoll und Franz Auber (beide 55) – unspektakulär, aber ganz nah dran am Leben und deshalb so erfolgreich. Sie erzählen Geschichten aus dem Alltag, und zwar so, wie ihnen auf der Alb der Schnabel gewachsen ist. Das Duo kommt aus Justingen im Alb-Donau-Kreis, „wo die Häuser im Freien stehen“ und die Menschheit in Besitzer von roten (die Reichen) und grünen Traktoren (die Armen) eingeteilt ist. Oft erleben sie, dass sich die Zuhörer wissende Blicke zuwerfen, wie um zu sagen: Fast wie bei uns. Tatsächlich findet man sich in den Charakteren ansatzweise wieder – dem Bruddler, der Schwertgosch.

„Hillu’s Herzdropfa – woher stammt der Name?“, will Moderator Tom Hörner im Zeppelinstüble wissen. Hiltrud Stoll, dreifache Mutter und Oma, klärt auf : „Emmer wenn mir’s net gut war, han i a Cognäcle dronka – wie scho mei Opa. Zu de Kender ha i no gsagt: , I brauch jetzt Herzdropfa!‘“ Unter diesem Namen wird Hillu’s Komik Herzdropfa seit vielen Jahren rezeptfrei und öffentlichkeitswirksam verabreicht. In kleinen Runden wie dem „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Zeppelinstüble und zunehmend auch in großen Hallen mit bis zu 800 Besuchern. Bestandteile sind Alltagskomik und Sprüche, die von der charakteristischen schwäbischen Logik zeugen – etwa zum Thema Ehe: „Mei Mo regt mi uff. Aber scheida lass i mi net. Gar nie! I han den 50 Johr ausghalta, ond jetzt soll der no a paar schöne Johr hau?“

Ihre Sprache: hart, aber herzlich

Ihre Sprache ist rau wie die Landschaft, aus der sie stammen, auch derb, aber nicht anstößig. Hillu Stoll und Franz Auber haben ein feines Gefühl dafür entwickelt, was geht und was nicht. Ihr Bauerntheater ist ein  bauernschlaues Theater. Eine Nische des Authentischen. Hart, aber herzlich.

Im Oktober haben sie in Rottenburg, der Heimat Josef Eberles alias Sebastian Blau, den Blau-Preis für schwäbisches Kabarett gewonnen. Und zwar gleich doppelt, den Preis der Jury und den Publikumspreis. Die Sache war eindeutig. Hillu’s Herzdropfa brachten mit ihrer unverstellten Art zu spielen und zu schwätzen den Saal zum Toben. Seit 2016 sind sie hauptberuflich mit abendfüllendem Programm unterwegs mit bis zu 160 Auftritten im Jahr, darunter auch karitativen. Seit Langem unterstützen sie die Evangelische Gesellschaft und spielen in Altenheimen. Der Bedarf an dieser Art Herztropfen ist groß.

Privat sind die beiden kein Paar

Und ihre Wirkung ist enorm. Binnen kürzester Zeit schlagen die Herzdropfa beim Publikum an: Die Leute johlen, Alltagssorgen treten für die Dauer der Behandlung in den Hintergrund. Manchmal sogar noch länger. Auch im Zeppelinstüble hilft die schwäbische Medizin aus Justingen: „So han i schon lang nemme glacht“, sagt eine Stammtischbesucherin.

Privat sind die beiden übrigens kein Paar – auch wenn sie auf der Bühne streiten wie ein altes Ehepaar. Oder vielleicht gerade deshalb. „Mit unseren Partnern würde das nicht funktionieren.“ Hiltrud Stoll und Franz Auber schütteln den Kopf. Sich öffentlich dreimal die Woche zu fetzen, das funktioniert nur als professionelles Theatergespann.

An diesem Abend gibt’s auch noch Geburtstagskuchen – eine freundliche Geste von Christiane Welt, Vizedirektorin des Steigenberger Hotels, anlässlich des 20. „Auf gut Schwäbisch“-Stammtischs an diesem Ort. Danach folgen weitere Herzdropfa, herzerfrischend verabreicht und von Gesang begleitet. Damit ist man erst mal wieder „g’stellt“, wie der Schwabe sagt.