Lang von Langen Foto: StN

Mit spannendem geschichtlichem Wissen versorgt uns Michael J. H. Zimmermann. Er erinnert an Ingo Lang von Langen. Wer das ist?

Stuttgart - Mit spannendem geschichtlichem Wissen versorgt uns Michael J. H. Zimmermann. Er erinnert an Ingo Lang von Langen. Wer das ist? Hier seine Geschichte:

„Dass die Schwaben kluge Köpfe des Widerstands hervorbrachten, ist mehr als eine Legende, wenn auch nicht gleich Stammeseigenart. Gäbe es nicht die Historikerin Ingeborg Kottmann, wäre der promovierte Jurist und Volkswirt Ingo Lang von Langen (1895–1979) zu Unrecht vergessen: eine Ausnahmeerscheinung in der Verwaltungselite.

Ohne Errichtung der NS-Diktatur fände er sich wohl in der Galerie der Stuttgarter Oberbürgermeister; so leitete der bekennende Protestant ,nur‘ die Geschicke der Städte Schwenningen (1925 bis 1930) und Esslingen (bis 1933). Ein parteiloser, sozial denkender, für die Demokratie entschieden eintretender Patriot aus dem Land, war er der Wunschkandidat vieler Bürger. Lang von Langen wehrte sich gegen die Einschränkung kultureller Aufgaben der Kommunen; mit seiner antizyklischen Fiskalpolitik brachte er die Vertreter eines Sparkurses gegen sich auf. Er stärkte den sozialen Wohnungsbau. So entstand in Esslingen-Sirnau unter seiner Ägide die ,Stadtrandsiedlung für Erwerbslose‘.

Die NSDAP bekämpfte Lang von Langen ,allezeit stark‘. Nach Hitlers Machterschleichung lehnte er Angebote für eine Karriere im NS-Staat ab. Am 2. Mai 1933 trat er vom Amt zurück, da er ,nicht jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat glaube eintreten zu können‘, wie es das Reichsgesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verlangte. Er ,besuchte in Süddeutschland die Stadtvorstände und Landräte, die er zu beeinflussen versuchte, ihre Ämter niederzulegen‘: Einzig steht der Versuch da, den Verwaltungsapparat ,zum Erliegen zu bringen‘, das ,Dritte Reich‘ von innen lahmzulegen. Es folgten die Entlassung aus dem Staatsdienst und ein Berufsverbot für den Juristen.

Lang von Langen trotzte den Braunhemden – nun in Berlin. Er arbeitete in einer Druckerei, bildete sich zum Grafiker fort, fand erst 1935 als Prokurist und Werbefachmann in der Schokoladenfabrik Hildebrand sein Auskommen. Er rettete die angeschlagene Firma und machte sie dank ,Scho-Ka-Kola‘ unter dem Aspekt der Wehrwirtschaft wichtig. Der Wehrmacht begegnete er skeptisch. 1934 erklärte der Offizier, ,einen Eid auf den Führer nicht ablegen zu können‘.

Kaum zu glauben, aber dies blieb ohne Konsequenzen. Wie auch die Anklage wegen ,Judenbegünstigung und illegaler politischer Betätigung‘. In der Tat schützte Lang von Langen die jüdische Familie Elisabeth von Stengels: Um sie zu retten, setzte er sein gesamtes Barvermögen für Bestechungszwecke ein; andere bewahrte er vor KZ-,Schutzhaft‘. Auch stand er dem Kreisauer Kreis nahe: bereit, nach einem erfolgreichen Attentat auf Adolf Hitler an einem besseren Deutschland mitzubauen. Das konnte er nach dem Ende der NS-Diktatur auch tun – als Rechtsanwalt, Notar und Mitglied der Berliner Behörde zur Entnazifizierung. Im Ruhestand zog er wieder ins Land – an den Bodensee.“ Der schwäbische Spruch des Wochenendes lautet: Gwichste (geputzte) Stiefel dean (tun) anander nix.

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