Linsen und Spätzle - einst ein Arme-Leute-Essen, heute der Hit in jeder Kantine. Foto: StN

Petra Frank aus Altdorf schreibt: „Mich würde interessieren, warum und seit wann ‚Linsen mit Spätzle und Saitenwürstle‘ schwäbisches Nationalgericht ist“.

Stuttgart - Petra Frank aus Altdorf schreibt: „Mich würde interessieren, warum und seit wann ‚Linsen mit Spätzle und Saitenwürstle‘ schwäbisches Nationalgericht ist“.

Prüfen wir zunächst einmal, was man unter „Nationalgericht“ versteht. Bei Wikipedia erfährt man, dass mit Nationalgericht Speisen bezeichnet werden, die als typischer Bestandteil einer Nationalküche gelten. Damit ist die Vorstellung verbunden, es handle sich um traditionelle Gerichte, die im betreffenden Land von der Mehrheit der Bevölkerung gegessen werden. Umgangssprachlich werden auch bekannte Regionalgerichte als Nationalgericht bezeichnet. Der Begriff „Nationalgericht“ ist in Europa erst im 19. Jahrhundert aufgekommen, da er in Zusammenhang mit der Idee des Nationalstaates steht. Damit ist das „seit wann?“ unserer Leserin bereits beantwortet. Unser schwäbischer Dichter Ludwig Uhland (1787–1862) rühmte das Sauerkraut in seinem Metzelsuppenlied: „Auch unser edles Sauerkraut, wir sollen’s nicht vergessen; ein Deutscher hat’s zuerst gebaut, drum ist’s ein deutsches Essen.“

Die Speise „Linsen mit Spätzle“ ist wie viele andere Gerichte als „Arme-Leute-Essen“ entstanden. Die Linsen waren und sind ein beliebtes und nahrhaftes Nahrungsmittel, das früher im Schwabenland auf viel mehr Feldern angebaut wurde als heute. Der Anbau wurde erst seit 1985 auf der Schwäbischen Alb wieder begonnen, wobei die Linsen zusammen mit Gerste und Hafer ausgesät werden, damit die zarten Linsenpflanzen eine Wachstumsstütze bekommen.

Jetzt zur Etymologie des Wortes „Linse“. Es ist bereits im Althochdeutschen als linsi, linsin vom lateinischen „lens“ übernommen worden, und dieses „lens“ erinnert sehr an unsere schwäbische Aussprache „Lêns, Lênså“. Doch diese Aussprache geht eher auf die schwäbische Phonetik zurück, wo Silben mit „in“ zu „ên“ umgelautet werden wie bei „finden, Kind, links (fêndå, Kênd, lênks“). Eine andere, ältere Sprechweise haben „finster, Winter und auch Linsen“ mit „fãêschdr, Wãêdr, Lãêså“. Das öfters zu sehende „Leisa“ trifft den richtigen Sprachklang nicht, was besonders unkundige und zugezogene Personen zu falscher Aussprache anleitet, die mit der Zeit allgemein bestehen bleibt. Nebenbei: Die Ortschaft Linsenhofen bei Nürtingen wird von den Bewohnern „Lãêsåhofå“ genannt. Und noch eine Anmerkung: Das Wort „leise“ hat ein altes Stammwort, „lins“, weshalb viele Schwaben heute noch „sei lãês“ sagen statt „sei leis(e)“.

Dass Linsen eine uralte Speise sind, beweist der Ausdruck „Linsengericht“. Er wurde schon im Alten Testament gebraucht, im 1. Buch Moses heißt es: „(Esau) verkauft also Jacob seine erstgeburt. da gab jm Jacob brot und das linsengericht.“ Mit Bezug auf diese biblische Erzählung entstand das Sprichwort „etwas für ein Linsengericht hingeben“, worunter man versteht: „für einen unverhältnismäßig geringen Preis Wertvolles hergeben“. Und der Benediktiner-Mönch Notker, genannt Notker Teutonicus oder Notker der Deutsche, Leiter der Klosterschule in St. Gallen, beschrieb um das Jahr 1000 n. Chr. das Ereignis um das Linsengericht wie folgt: „mit lenticula (linsinin) gichoufta sînes pruoder primogenita“ – etwas für die Leser zum Knobeln (Auflösung folgt). Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Heinz Vetter – er bezieht sich auf den Spruch vom 4. April „Du derfsch koim traua – ed amol deim oigana Hemmad“. Herr Vetter schreibt: „Dabei ist mir wieder der Spruch meines Großvaters anlässlich meines Einladungsbesuches zu meiner Konfirmation 1957 eingefallen. Bei der Verabschiedung gab er mir folgenden Spruch auf den Weg: ,Bua, merk dr ois en deim Leba, du kasch koim traua – ed amol deiner oigana Hosatasch, dui könnt a Loch hau.‘ Dann drückte er mir noch fünf D-Mark in die Hand mit den Worten: ,Saisch aber nex dr Oma.‘“

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