„Auf gut Schwäbisch“ live – das ist was fürs Herz. Und für den Gaumen. Der vierte Mundart-Stammtisch im Stuttgarter Zeppelinstüble ließ in dieser Hinsicht keine Wünsche offen. Dazu kam eine süße Überraschung . . .

Stuttgart - Fünf Jahre „Auf gut Schwäbisch“ – das muss gefeiert werden, denken sich die Verantwortlichen des Stuttgarter Hotels Steigenberger Graf Zeppelin und fahren beim vierten Mundart-Stammtisch unserer Zeitung am Donnerstagabend groß auf – eine Riesenmaultasche aus Marzipan, gefüllt mit Schokoladencreme. Das Werk von Patissiere Dinah Schmidt. Ihre süße Maultasche erweist sich als perfekter „Pausenfüller“, der unter den 40 Stammtisch-Gästen dankbare Abnehmer findet.

Allerdings: Lange Pausen gibt’s an diesem Abend im Zeppelinstüble nicht, weil es ein Charakterstikum der Live-Ausgabe von „Auf gut Schwäbisch“ ist, dass die Stammtisch-Besucher das offizielle Programm spontan um eigene Beiträge erweitern. Stellvertretend sei Rolf Schippert aus Oberschlechtbach erwähnt, der unter großem Beifall verschiedene Variationen eines schwäbischen Lompaliedles schmetterte: „An scheena Gruaß von meiner Muader, ond se schickt an Hafa Milch, ond se kan en nemme braucha, weil a Maus neig’hagelt isch.“

Zu diesem Zeitpunkt haben die Aurezwicker ihren ebenfalls gefeierten Auftritt bereits hinter sich. Helmut Pfitzer (65) und Reinhold Hittinger (56) sind seit vielen Jahren als erfolgreiches Mundart-Duo im Land unterwegs. Beim „Auf gut Schwäbisch-Stammtisch“ geben sie Kostproben, die Appetit auf mehr machten. Goethes „Sah ein Knab ein Röslein stehen“ arbeiteten sie mund(art)gerecht um in „Lass den Schwab ein Sößlein sehn“. Und aus dem Sechziger-Jahre-Hit „No milk today“ wird bei ihnen kurzerhand: „Koine Spätzle heit.“ Ein besonderer Reiz des Duos liegt in seinem internen Stadt-Land-Gefälle. Während Pfitzer die Stadt (Stuttgart) repräsentiert, spricht und singt Hittinger für das Land (Balingen). Das bietet natürlich jede Menge Stoff für Frotzelein – etwa wenn Pfitzer sagt: „Wenn de ama Balinger a Zwiebel en da Mund stecksch, no isch der Ochsamaulsalat scho fascht fertig.“

Wie groß die Bandbereite der Mundartkunst ist zeigt das Gastspiel des 33-jährigen Schwaben-Rappers Henrik Brislow alias MC Bruddaal, der vielen Jugendlichen ein Begriff ist, auch wenn sie keine Mundart sprechen. Der gebürtige Schorndorfer, Sohn schwedischer Eltern, macht gerade Karriere auf dem Video-Kanal Youtube. Seine witzige Hommage an Stuttgart „Du bisch mei Number One“ wurde bereits mehr als 300 000 Mal geklickt. Darin findet sich die schöne Zeile: „Du hasch an Kessel – mir egal, trotzdem bisch mei erste Wahl – Stuttgart.“

Das Publikum im Zeppelinstüble muss sich der Rapper mit der charakteristischen Fellmütze, den verspiegelten Sonnengläsern und der selbst gebastelten Brezel-Goldkette um den Hals erst noch erschließen. Große Mühe macht ihm das allerdings nicht, weil MC Bruddaal zwar Bruddaal heißt, in Wahrheit aber ein Lieber ist, wie er selbst sagt. Auf den Namen kam der gelernte Grafiker, weil sein ehemaliger Chef „in jedem zweiten Satz ,bruddaal‘ verwendete“ – ein Ausdruck von Anerkennung. Nicht ausgeschlossen übrigens, dass sich das Zeppelinstüble so langsam zu einer Art Sprungbrett entwickelt. Moderator Tom Hörner macht dem Rapper Hoffnung: „Vor einiger Zeit war Dodokay bei unserem Stammtisch – danach füllte er die Porsche-Arena mit 5000 Leuten . . .“

Eine ganz andere Seite der Mundart schlägt Michael Wahl auf. Berührende Gedichte und Sprüche des durch einen Schlaganfall beeinträchtigten Texters aus Stuttgart-Degerloch werden an diesem Abend von seiner Frau vorgetragen. Sie bleiben im Gedächtnis hängen, etwa der Spruch: „S’ muaß sich viel ändra, wenn’s so bleiba soll wia’s isch.“ Eine weitere Spruchsammlung Wahls soll in diesem Herbst erscheinen, illustriert von dem ehemaligen Stuttgarter Kunstprofessor Dieter Groß.

Und sonst? Einmal mehr führt „Auf gut Schwäbisch“ zusammen. Im Zeppelinstüble entdeckt man die Gesichter, die zu den in der täglichen Dialekt-Spalte abgedruckten Autorennamen gehören: „ Ha Sie send die Frau Fehrmann . . .“ Schon ist ein neuer Kontakt geknüpft. Fortsetzung folgt beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch am 5. Juni.