Die bis zu 200 Jahre alten Grabsteine erinnern an eine einst sehr lebendige jüdische Gemeinde in Freudental. Foto: factum/Granville

Er ist sowohl ein Denkmal als auch ein Ort der Ruhe: der jüdische Friedhof von Freudental. Ließe man die Natur gewähren, hätte der angrenzende Strombergwald das Gelände längst zurückerobert. Der Friedhof erinnert auch daran, dass Freudental mehr als 100 Jahre lang ein kultureller und religiöser Mittelpunkt für die Juden war.

Ludwigsburg - Er ist sowohl ein Denkmal als auch ein Ort der Ruhe: der jüdische Friedhof von Freudental. Ließe man die Natur gewähren, hätte der angrenzende Strombergwald das Gelände längst zurückerobert. So aber werden von Zeit zu Zeit das Grün beschnitten und allzu brüchige Grabsteine wenigstens gekittet. An den jüngeren Gräbern, die an Menschen erinnern, die nach dem Krieg gestorben sind, stehen Kerzen. Je weiter man sich in der Zeit zurück bewegt, desto länger scheinen die Inschriften in hebräischen Schriftzeichen und Ziffern zu werden. Und desto schillernder die Patina und desto dichter Efeu und Moosbewuchs der Steine und Säulen.

Spannungen zwischen Juden und Christen

Der Friedhof erinnert auch daran, dass Freudental mehr als 100 Jahre lang ein kultureller und religiöser Mittelpunkt für die Juden war. Hier saß der für alle Gemeinden im württembergischen Unterland zuständige Rabbi. Sogenannte Schutzbriefe hatten die Ansiedlung befördert. So durfte die Gemeinde nicht nur eine eigene Synagoge errichten, sondern auch einen Friedhof.

1723 erkaufte die Gemeinde das Recht für eine Ruhestätte, indem sie der Obrigkeit zwei Gulden zahlte. In der Folge wurden alljährlich vier Gulden „Grundzins“ fällig. Allerdings handelte es sich anfangs um ein Flurstück, das nicht identisch ist mit dem heutigen. 1811 war der Friedhof auf Geheiß von König Friedrich I. auf die andere Talseite verlegt worden. Am ursprünglichen Beth Olam („Haus der Ewigkeit“) ließ er eine Fasanerie anlegen.

Auf dem Areal, das heute noch an die jüdische Gemeinde erinnert, sind 436 Menschen begraben worden. Und zwar aus allen Gesellschaftsschichten: In einer von Ludwig Bez herausgegebenen Dokumentation zum Friedhof ist von armen Hausierern und im Kindbett gestorbenen Wöchnerinnen ebenso die Rede wie von reichen Viehhändlern und Bankiers oder berühmten Rabbinern wie Nathan Elsässer.

Vor allem im 18. Jahrhundert siedelten sich viele Juden an. Für das Jahr 1785 verzeichnet das Melderegister dort 50 jüdische Familien mit insgesamt 243 Personen. Diesen stehen 271 Menschen evangelischen Glaubens gegenüber. Die Einwohnerzahl Freudentals lag bis um 1800 relativ konstant bei 500.

Dass es im Zusammenleben von Juden und Christen zu teilweise absurden Spannungen kam, zeigt eine Beschwerde der Protestantischen Gemeinde aus dem Jahr 1768: Sie führte Klage, weil die jüdische Gemeinde ausgerechnet am Sonntag ihre Toten bestattete. Was dazu führe, dass just zur Gottesdienstzeit „an den Bahren gehämmert und geklopft“ werde. Hierauf haben die Juden darauf verweisen, dass sie ihre Toten nicht am Sabbat bestatten können. Trotzdem konnte man sich offenbar bald darauf einigen, dass die Begräbnisse nicht mehr zu den Zeiten der sonntäglichen Gottesdienste der Christen stattfanden.

Die letzten jüdischen Mitbürger werden deportiert

Nach 1800 hat die Zahl der jüdischen Einwohner stetig abgenommen. 1942 waren es 14 Männer und Frauen, die in die Vernichtungslager deportiert wurden. Der jüdische Friedhof ist Erbe und Aufgabe, sagen die Freudentaler heute. Ein Erinnerungsort wie die ehemalige Synagoge, in der das Pädagogisch Kulturelle Centrum (PKC), das sich der Stärkung von Demokratie und Toleranz verschrieben hat, seinen Sitz hat.

Im Oktober 2007 aber hat diese Erinnerungskultur einen Kratzer bekommen: Damals haben vermutlich rechtsradikale Täter den Friedhof geschändet. Grabsteine wurden umgeworfen oder mit Hakenkreuzen beschmiert. Die damalige Bürgermeisterin Dorothea Bachmann sprach von einem Anschlag auf die Menschenwürde: „Wir hatten nicht gedacht, dass in unserer friedlichen Gemeinde ein so feiger und infamer Anschlag möglich sei.“ Landratsamt und Regierungspräsidium haben 100 000 Euro aufgebracht, um die Schäden zu beseitigen. Wer heute den jüdischen Friedhof besuchen will, muss beim PKC oder im Rathaus um einen Schlüssel bitten.

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