Anschlagsziel Frühstücksflocken Foto: fotolia

Frühstücksflocken als Hassobjekt und Anschlagsziel – geht das? Hunderte Menschen attackierten jüngst ein Müsli-Café im Londoner Osten, um gegen die Verdrängung der ansässigen Bevölkerung durch wohlhabendere Bevölkerungsschichten zu demonstrieren.

London - An den Fenstern eines Cafés im Londoner Osten, in dem ausschließlich Müsli angeboten wird, zeugen noch immer Reste roter Farbe von der Attacke. Was aber können Demonstranten gegen Cornflakes haben?

Den Protestlern geht es ums Prinzip, sie wehren sich gegen die Verdrängung der ansässigen Bevölkerung durch wohlhabendere Bevölkerungsschichten – ein Wandel, der mit dem Schlagwort Gentrifizierung bezeichnet wird.

Dabei erscheint das Konzept des „Cereal Killer Café“ erst einmal einfach – es folgt dem Trend zur Spezialisierung: Über 120 Arten Müsli aus der ganzen Welt plus unterschiedliche Milchsorten, Früchte und Toppings stehen zur Auswahl, so dass sich jeder Gast je nach Laune sein Frühstück, Mittagessen oder auch seinen Abendsnack zusammenstellen kann.

Baufällige Häuser und dunkle Pubs

Aus den Lautsprechern tönt Musik aus den 80er- und 90er Jahren, die Deko hat sich ebenfalls dieses Jahrzehnt zum Vorbild genommen. Etliche Müsli-Schachteln stehen aufgereiht an den Wänden – jedes Detail passt sich der farbenfrohen Popkultur an. Es handle sich um Getreideflocken-Erinnerungsstücke, die „unsere Kunden zurück in ihre Kindheit versetzen lassen“, sagen Alan und Gary Keery, die beiden Gründer aus dem nordirischen Belfast.

Die 33-jährigen Zwillinge könnten also zufrieden sein, aber das sind sie nur bedingt. Das liegt daran, dass sie ganz offensichtlich dem Klischeebild des Hipsters entsprechen und so zu einem beliebten Ziel von Gentrifizierungskritikern geworden sind.

Der Osten Londons war lange stolz darauf, vom Bauboom und der Aufhübschung der Stadt verschont geblieben zu sein. Die Eigenständigkeit des East Ends sollte erhalten werden – inklusive jener Gassen, in denen baufällige Häuser und dunkle Pubs an die Vergangenheit erinnern, als Bandenkriege und die Unterwelt das Sagen hatten und arme Einwanderer hier ein neues Leben begannen.

Die alten Bewohner fühlen sich mittlerweile abgehängt

Doch in der Metropole herrscht Platzbedarf, und irgendwann kamen die Kreativen und Coolen auch in die arme Gegend, am Ende zogen die Wohlhabenden nach. Das East End um die Brick Lane ist mittlerweile ein angesagtes Viertel, was sich sowohl in den Immobilienpreisen als auch im Erscheinungsbild der Gegend niederschlägt. Die Häuser wurden nach und nach saniert, Luxus-Apartments entstanden, schicke Boutiquen und trendige Restaurants setzten sich fest. Die alten Bewohner fühlen sich mittlerweile abgehängt.

Die Armut nimmt zu, und viele Bürger werden in die Vororte verdrängt. So ist für die Alteingesessenen das Café seit dessen Eröffnung vor gut einem halben Jahr zum verhassten Symbol dieser Entwicklung geworden. Immerhin kostet eine Schüssel Müsli umgerechnet mehr als fünf Euro. Also belagerte die anarchistische Gruppe „Class War“, die die Kundgebung organisiert hatte, am Ende der Demonstration das Getreideflocken-Paradies.

Die Keery-Brüder sprechen von einer „Hexenjagd“. Das Café sei weder der Grund für die Gentrifizierung noch könne es für eine Lösung sorgen, sagen die Gründer. Zudem komme der Protest mindestens ein Jahrzehnt zu spät. „Das scheint faul angesichts der Eröffnung einer Versace-Boutique ein paar Straßen weiter“, klagen sie. Doch „Class War“ macht weiter. Am kommenden Wochenende planen die Aktivisten im Viertel eine Protestveranstaltung gegen das umstrittene „Jack-the-Ripper-Museum“ protestieren – es geht gegen die Glorifizierung sexueller Gewalt gegen Frauen.