Blick in den Reaktorblock von Philippsburg: Wo soll künftig der hoch radioaktive Atommüll gelagert werden? Foto: dpa

Greenpeace fordert Lagerung des Atommülls im Land, um Castortransporte sicherer zu machen

Stuttgart/Philippsburg - Wohin mit dem Atommüll? Die Politik auf Bundes- wie Landesebene diskutiert seit Wochen das Thema Endlager. Jetzt kommt ein Problem hinzu: Soll der Nuklearschrott lieber in Philippsburg als in Gorleben zwischengelagert werden?

Das Ritual wiederholt sich alle paar Monate. Irgendwann im Morgengrauen überquert ein Zug mit Castorbehältern aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague die deutsche Grenze und macht sich auf die mühsame Reise quer durch Deutschland. Tausende Polizisten stehen dann meist wie Leitpfosten entlang der Bahnstrecke, um den Zug zu schützen. Demonstranten ihrerseits versuchen, die Reise des Atommülls aufzuhalten, ketten sich an Bahnschienen oder legen Gleise frei. Irgendwann obsiegt die Staatsmacht, die Castorbehälter werden in Lüchow-Dannenberg mühsam von der Schiene auf Lastwagen gehoben und fahren im Schneckentempo ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben. Die Tore schließen sich. Was bleibt sind Ausgaben in Millionenhöhe für den Polizeieinsatz und die Frage, ob es auch anders geht.

Aus Sicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace gibt es sehr wohl einen anderen Weg: nämlich die Zwischenlagerung des deutschen Atommülls in Baden-Württemberg. "Der nächste Castortransport muss nach Philippsburg und nicht nach Gorleben rollen", betonte Greenpeace-Vize-Politikchef Tobias Münchmeyer am Mittwoch in Stuttgart und legte zugleich eine Studie vor. Demnach ist die Zwischenlagerung der Castorbehälter auf dem Gelände der Kernkraftanlage Philippsburg (Kreis Karlsruhe) deutlich "sinnvoller und sicherer" als der Standort Gorleben, so Münchmeyer. Die entscheidenden vier Gründe.

Erstens: Die Strecke von La Hague nach Gorleben beträgt rund 1500 Kilometer, nach Philippsburg sind es 550 Kilometer weniger. Philippsburg hat zudem einen direkten Bahnanschluss, das aufwendige und gefährliche Umladen der 100 Tonnen schweren Castoren würde entfallen.

Zweitens: Wenn immer mehr Castortransporte nach Gorleben gehen, werde das Zwischenlager "als Endlager-Standort zementiert". Und das, so Münchmeyer, obwohl der Salzstock dafür ungeeignet sei.

Drittens: Die Zwischenlagerung des hoch radioaktiven Mülls in Philippsburg sei deutlich sicherer, weil die dortige Halle im Unterschied zur Lagerhalle in Gorleben ein Drainagesystem besitzt. Im Fall eines Flugzeugabsturzes kann das ausströmende Kerosin schnell abfließen. Somit würden langanhaltende Brände und das Austreten von Radioaktivität wie Cäsium 137 vermieden.

Viertens: Bei einer Zwischenlagerung in Philippsburg würde das sogenannte Verursacherprinzip berücksichtigt. Es besagt, dass der Atommüll dort gelagert werden sollte, wo er entstanden ist. Fakt ist: 20 Prozent des Atommülls, der da aus Frankreich zurückkommt, stammt aus den Kernreaktoren in Philippsburg und Neckarwestheim.

Umweltminister hält Genehmigung für nicht mehr machbar

Und genau an diesem Punkt wirft Greenpeace der Landesregierung nun "Wortbruch" vor. Im Vorfeld der Landtagswahl hätten die Grünen eine solche Lagerung am Standort des Kernkraftwerks gefordert, nun aber ergreife die Koalition "keinerlei Initiative" für die Zwischenlagerung. "Wir sind bitter enttäuscht, dass vor der Wahl etwas angekündigt wurde, was jetzt nicht umgesetzt wird", so Münchmeyer. Man erneuere "die dringende Aufforderung" an die Landesregierung, für ein solches erweitertes Zwischenlager in Philippsburg zu sorgen. Der Greenpeace-Vizepolitikchef und Physikerin Oda Becker forderten deshalb am Mittwoch die Regierung auf, als EnBW-Anteilseigner den Konzern zu drängen, eine Erweiterungsgenehmigung beim Bundesamt für Strahlenschutz zu beantragen.

Dass Platzbedarf besteht, belegen Zahlen. Noch in diesem Herbst werden elf weitere Castoren aus Frankreich nach Deutschland zurückkommen, ab 2014 werden 21 Castorbehälter aus dem britischen Sellafield erwartet. Nach den Untersuchungen von Greenpeace wäre dafür ausreichend Platz in Philippsburg. Berechnungen zufolge gibt es im Zwischenlager Philippsburg rund 152 Plätze für die Boxen mit dem hoch radioaktiven Müll. 100 davon würden für den Müll benötigt, der noch aus der Restlaufzeit der beiden dortigen Reaktoren anfällt, etwa 50 wären frei für andere Castoren.

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sagte, man teile das Anliegen von Greenpeace, für größtmögliche Sicherheit beim Atommüll zu sorgen. Auch die Idee einer standortnahen Lagerung sei richtig. Für den anstehenden Transport aus La Hague sei eine Lagergenehmigung für Philippsburg jedoch nicht mehr machbar. CDU-Umweltpolitiker Paul Nemeth kritisierte die Haltung des Ministers: "Die nichtssagende und ausweichende Stellungnahme macht eines deutlich: Wenn die Dinge konkret werden, sehen sich die Grünen immer häufiger an frühere Aussagen nicht mehr gebunden."