Atommüll im Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt Foto: dpa-Zentralbild

Mitte Juni will eine Kommission ihre Empfehlungen für ein Atommüll-Endlager abgeben. Dazu hat sie in Berlin zu einem Bürgerdialog eingeladen.

Berlin - Berührungsängste haben die Gäste nicht, das zeigt sich recht schnell nach der Begrüßung in dem früheren Produktionssaal einer Maschinenfabrik im Berliner Arbeiterviertel Moabit. Heute wird dort nichts mehr produziert. Man trifft sich dort zu Veranstaltungen von der nüchternen Informationsmesse bis zum festlichen Bankett. Schon bald nach der Begrüßung haben sich Kleingrüppchen vor den vielen Stellwänden mit Informationstafeln gebildet, die in lebhaften Diskussionen verstrickt sind.

Bürgerdialog zum Endlager

Die Endlagerkommission, die nach fast zweijähriger Arbeit Mitte Juni ihre Empfehlung für die Suche nach einem Atommülllager vorlegen will, hat zum Bürgerdialog eingeladen. An die 200 Menschen sind gekommen: Vertreter von Ökoverbänden wie dem BUND, Mitarbeiter der Asse AG aus Niedersachsen, Beamte des Wirtschaftsministeriums in Düsseldorf, ein Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Natur- und Umweltschutz, Forscher vom Institut für Festkörperphysik; man könnte anhand der Namenskärtchen ein „Who is who“ der Institutionen zusammenstellen, die nur irgendetwas mit Atomenergie oder Endlagerung zu tun haben. Nur echte Bürger, die vom Angebot der Bürgerbeteiligung Gebrauch machen wollen, sind eine echte Rarität.

Jörg Sommer, der Sprecher der Endlagerkommission, hat eine einfache Erklärung dafür: Noch fühlen die sich die meisten Menschen nicht betroffen, weil sie ein Endlager in ihrer Region für ausgeschlossen halten. Deshalb halte sich das Interesse der Normalbürger an den Dialogangeboten der Kommission meistens in Grenzen.

„Welche Regionen haben Sie dann überhaupt eingeladen - und wie?“, will Heidi Armbruster wissen. „Ganz einfach: alle“, antwortet Sommer. „Wir haben sämtliche Landräte angeschrieben und von vielen einen Korb bekommen.“ Der eine habe gemeint, ein Endlager in seiner Weinbauregion sei ausgeschlossen, der andere glaubte, als Kurort auf der sicheren Seite zu sein. Das werde sich erst ändern, wenn konkrete Regionen als potenzielle Endlagerstandorte ins Auge gefasst würden, meint Sommer.

Der grenzüberschreitende Blick

Streng genommen ist auch Heidi Armbruster keine Normalbürgerin. Die Frau aus dem Nordschwarzwald ist Ethnologin, lebt in Großbritannien und interessiert sich als Wissenschaftlerin für die Aufgabe, Akzeptanz für ein Atommülllager zu gewinnen. „Das ist ein globales Problem“, sagt sie. „Deshalb braucht es den grenzüberschreitenden, vergleichenden Blick.“

„In Großbritannien gibt es kein Gorleben“, erzählt Frau Armbruster. Tatsächlich habe es sogar einen auf Freiwilligkeit setzenden Vorstoß der Regierung gegeben, an dem einige Regionen sich beteiligten. „Aber das ist am Ende am Votum eines einzelnen County-Gouverneurs gescheitert“, erzählt Armbruster. Sie hofft dennoch, dass Bürger und Politik aus den Erfahrungen andernorts lernen können und will mit ihrer Forschung dazu beitragen.

Formulierung mit Sprengkraft

Auf den letzten Metern bis zur Präsentation ihrer Empfehlung kann es für die Endlagerkommission noch einmal spannend werden. Zuletzt hatten ein Textentwurf, heftige Reaktionen ausgelöst. In einer Passage über die Geschichte Gorlebens fand sich die Formulierung, ein Endlager dort sei nach Auffassung der Kommission „politisch nicht durchsetzbar“. Das erntete heftigen Widerspruch. Der CDU-Politiker Steffen Kanitz bezeichnete das rundweg als „nicht konsensfähig“ und attestierte der Formulierung „enorme Sprengkraft“. Die Kommissions-Vorsitzende Ursula Heinen-Esser zeigte sich „maßlos verärgert“. In der nächsten Sitzung soll versucht werden, den Sprengsatz zu entschärfen.