aus dem Kernkraftwerk Obrigheim will die EnBW Atommüll auf dem Neckar bis nach Neckarwestheim bringen. (Archivfoto) Foto: dpa

Über den Neckar will der Energieversorger EnBW Brennelemente vom abgeschalteten AKW Obrigheim nach Neckarwestheim bringen. Das wäre der erste Atommülltransport über den Wasserweg in Deutschland.

Neckarwestheim - Hochradioaktiver Atommüll aus einem abgeschalteten Atomkraftwerk soll erstmals innerhalb Deutschlands auf dem Wasserweg transportiert werden. 15 Castoren aus dem vom Netz genommenen Kernkraftwerk Obrigheim sollen auf dem Neckar zum Zwischenlager in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) befördert werden, wie der Chef der Kernkraft GmbH des Energieversorgers EnBW, Jörg Michels, am Montag mitteilte. Umweltschützer halten einen „Shuttle-Service“ für Atommüll für zu riskant.

Rund 50 Kilometer Wasserweg

Die Behälter mit insgesamt 342 verbrauchten Brennelementen kommen dabei auf ein antriebsloses Schiff, das von einem anderen Boot geschoben wird. Michels hofft darauf, dass die Genehmigungen des Bundesamtes für Strahlenschutz für Transport und Zwischenlagerung gegen Jahresende vorliegen. In diesem Zeitraum ist auch die Fertigstellung der neuen Schiffsanlegestelle am Kernkraftwerk Neckarwestheim anvisiert. Mit dem - in der Gemeinde Neckarwestheim umstrittenen - Transport könne dann begonnen werden. Hauptgrund für die Wahl des Wasserwegs sei, negative Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr zu vermeiden. Mit den Kommunen auf der rund 50 Kilometer langen Strecke werde das Unternehmen den Dialog suchen.

Die Gemeinde Neckarwestheim will die geplante Zwischenlagerung auf ihrem Gebiet verhindern. „Es gab Zusagen, daran hat sich die Politik zu halten“, sagte Bürgermeister Jochen Winkler der Deutschen Presse-Agentur. Demnach sollte in Neckarwestheim nur Energie produziert und der Atommüll anderswo gelagert werden. Dennoch habe der Energieversorger EnBW 2006 ein atomares Zwischenlager in der 3800-Einwohner-Kommune errichtet. In den Genehmigungsverfahren für Transport und Zwischenlagerung beim Bundesamt für Strahlenschutz werde die Kommune ihre Bedenken einbringen und für einen Verzicht plädieren, sagte Winkler. Die Bürger befürchteten, dass das Zwischenlager zum Endlager werde.

EnBW: Chance für Obrigheim

In Deutschland gibt es noch kein Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Eine Kommission mit Politikern und Vertretern von Wissenschaft und Zivilgesellschaft sollte bis 2016 die Kriterien für die Suche nach einem geeigneten Standort erarbeiten. Sie arbeitet noch an ihrem Abschlussbericht.

Die EnBW argumentiert, dass ohne die umstrittene Zwischenlagerung in Neckarwestheim für die Brennstäbe aus dem 2005 abgeschalteten Kernkraftwerk Obrigheim dort ein kleines neues Zwischenlager hätte errichtet werden müssen. Kostenpunkt: ein „unterer bis mittlerer“ zweistelliger Millionenbetrag. So habe man die Chance, die Anlage in Obrigheim schneller abzubauen und in ein paar Jahren wieder zur „grünen Wiese“ zu machen, erläuterte Michels. Im grünen-geführten Umweltministerium hieß es, dieser Aspekt sei finanziell und ökologisch von Vorteil.

BUND: EnBW hat keine Erfahrung

Die Landeschefin des Umweltverbandes BUND, Brigitte Dahlbender, wies darauf hin, dass die EnBW keinerlei Erfahrung mit Transporten auf Binnengewässern habe. „Ein Unfall trifft automatisch auf viele Kilometer Wasser und auf Tausende Menschen“, gab sie zu bedenken. Die zuständigen Behörden dürften die Transporte auf keinen Fall bewilligen. Der Darstellung der EnBW, die sogenannten Schubenleichter seien unsinkbar, schenke sie keinen Glauben. Der BUND plädiert für den Bau eines dritten Zwischenlagers in Obrigheim. Neben dem Lager in Neckarwestheim gibt es bereits eines am Kernkraftwerk Philippsburg (Kreis Karlsruhe). „Alles ist besser als der Transport“, betonte Dahlbender.

Derzeit sind im Zwischenlager Neckarwestheim 53 Castoren untergebracht. Nach der im Jahr 2022 vorgesehenen Abschaltung des Blocks II werden es 125 sein. Insgesamt sind aber 151 Plätze vorhanden, so dass noch Raum frei wäre für die Castoren aus Obrigheim. Wie lange die Behälter in Neckarwestheim bleiben, könne er nicht sagen, betonte Michels. „Das liegt in der politischen Verantwortung.“