Spagat für Thomas Strobl: Als Vize-Bundesvorsitzender stützt er seine Parteichefin Merkel. Als Chef der Südwest-CDU ist das keine behagliche Position. Foto: dpa

Unionsfraktion will Kanzlerin nicht schaden, aber sie überzeugen. Gerade Abgeordnete aus dem Südwesten dringen auf Korrektur der Asylpolitik.

Berlin - Ihre Stellvertreter im Parteivorsitz stehen fest zu Angela Merkel. Wenn die Koalition an der Flüchtlingsfrage scheitern würde, hätte die Politik „eine riesige Glaubwürdigkeitskrise“, sagte Julia Klöckner. Man werde sich schon einig, auch mit der CSU. Und ihr Stellvertreter-Kollege Thomas Strobl pflichtet bei: Angela Merkel habe gerade mit den Ministerpräsidenten „die größte Asylrechtsreform seit den 90er-Jahren verhandelt“, sagte er unserer Zeitung. Das zeige doch, dass die Kanzlerin handele.

Diese entschiedene Rückendeckung für die Kanzlerin bedeutet für den Vorsitzenden der Südwest-CDU eine sehr heikle Gratwanderung, denn die von ihm geführte Landesgruppe will fast unisono etwas ganz anderes: eine klare Kurskorrektur. Wohlgemerkt, das geht nicht direkt gegen Merkel als Regierungschefin. Wer sich dieser Tage mit baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten unterhält, kann auch erleben, wie es vielen von ihnen schmerzt, die Kanzlerin zu attackieren. Geradezu penibel trennen die meisten deshalb andere Auffassungen in der Asylpolitik von einer persönlichen Argumentation. Es soll bloß nicht der Eindruck entstehen, da seien Umstürzler am Werk. Beim Lörracher Innenpolitiker Armin Schuster hört sich das so an: „Es liegt niemanden in der Fraktion daran, jetzt sinnlose Personaldebatten zu entfachen, niemand will der Kanzlerin schaden.“ Sein Nürtinger Fraktionskollege Michael Hennrich hebt die „große Wertschätzung für die Arbeit der Kanzlerin“ hervor. Aber in der Sache will auch er eine andere Politik: „Es wäre ein fatales Signal, wenn in der Bevölkerung der Eindruck entstünde, der Staat ließe den Dingen einfach seinen Lauf, weil er ohnehin nichts ausrichten könne.“

Die Sorge geht um in der Bundestagsfraktion der Union. Welche Sorge? „Meine Sorge ist nicht, wie die CSU reagieren würde, wenn man ihr nicht entgegen kommt“, sagt Wolfgang Bosbach. „Meine Sorge ist, dass wir das Land überfordern, wenn der Zuzug ungebremst so weiter geht.“ Hin- und hergerissen fühle er sich, sagt er, „zwischen dem großen Respekt der Kanzlerin gegenüber und der Notwendigkeit, zu einer deutlich geänderten Flüchtlingspolitik zu kommen.

Noch deutet nichts auf einen Schwenk der Kanzlerin

Noch aber deutet sich nicht an, dass Angela Merkel zu einem tatsächlichen Schwenk bereit wäre. Die Frage ist, wie lange sie ein Regieren gegen die Befindlichkeit der eigenen Fraktion und wohl erst recht gegen die Stimmung an der Parteibasis aushalten kann. Ihre Gegner in der Sache können den Konflikt in Stufen eskalieren lassen. Der erste kritische Augenblick steht schon am kommenden Dienstag an, wenn sich die Bundestagfraktion trifft. Eine Schlüsselrolle kommt dann den Innenpolitikern Schuster und Clemens Binninger zu. Viele Abgeordnete erwarten von ihnen die Vorlage eines Gesetzentwurfes zur effizienten Grenzsicherung, wenn sich die Bundesregierung nicht von sich aus bewegt. Manche verbreiten gezielt die Erwartung, das könnte schon an Dienstag passieren. Das soll zusätzlichen Druck aufbauen. Binninger stellt aber im Gespräch mit unserer Zeitung klar, dass dies nicht geschehen wird. „Das ist falsch. Wir werden am Dienstag mit Sicherheit nichts vorlegen.“ Wohl auch deshalb, weil es im Hintergrund auf Fachebene derzeit eine ganze Reihe von Gesprächen mit Experten von Innenministerium und Bundespolizei gibt, um praktikable Lösungen zu erkunden, die womöglich auch für die Kanzlerin eine gangbare Brücke darstellen könnten.

Sollte sich aber auch in den nächsten Wochen an der Situation nichts ändern, könnte der Bundesparteitag der CDU, am 14. und 15. Dezember in Karlsruhe, zu einer Zäsur werden. Im Gespräch mit unserer Zeitung trat der schleswig-holsteinische CDU-Chef Ingbert Liebing dem Eindruck entgegen, die kommunalpolitische Vereinigung (KPV) der Partei, deren Vorsitzender er ist, plane bereits einen Antrag zur Grenzschließung für den Parteitag. So weit ist man noch lang nicht. Aber auch Liebing, als Sprachrohr der Kommunen in der Partei in wichtiger Position, versteht es, den Konflikt schrittweise zu verschärfen. In einem Brief an Kanzleramtsminister Peter Altmaier hat er bereits auf die Grenze der Leistungsfähigkeit der Kommunen hingewiesen. In 14 Tagen kommt dann die Kanzlerin zur Bundesversammlung der KPV. Das wird sicher nicht angenehm. Dort wird sich der Vorstand positionieren. Tut sich dann immer noch nichts, gäbe es immer noch den Bundesparteitag.