Ehrenamtliche des Arbeitskreises Asyl kümmern sich regelmäßig um die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft für Familien an der Lilienstraße. Foto: Natalie Kanter

Das Unteraichener Pfarrhaus wurde vor eineinhalb Jahren zur Flüchtlingsunterkunft. 23 Menschen leben dort. Die Wohnverhältnisse sind beengt. Die Zukunft unsicher.

Leinfelden - Brennende Heime, explodierende Kosten, Staatsoberhäupter, die sich öffentlichkeitswirksam gegen Rassismus aussprechen: In den Medien gibt es derzeit kaum ein anderes Thema als Flüchtlinge. Nur am Rande geht es dabei um die Menschen selbst, um das Schicksal von Männern, Frauen und Kindern, die in der Fremde Zuflucht suchen. Weil ihr einstiges Zuhause den Namen Heimat nicht mehr verdient. Ein Blick in die Gemeinschaftsunterkunft für Familien an der Lilienstraße in Unteraichen liefert Einblicke in das Leben von Familien, die nicht unterschiedlicher sein könnten.

Die Hoffnung auf ein besseres Leben hat sich für Lendita Spasoli und Mexhit Muqista erst einmal zerschlagen. Das Paar wird Deutschland Anfang September mitsamt ihren fünf Kindern verlassen. Der jüngste Spross der Familie wird demnächst ein Jahr alt, der älteste zählt 16 Lenze. Der Asylantrag der Roma-Familie wurde abgelehnt. Ein Jahr und acht Monate haben sie Zuflucht in Deutschland gesucht, nun kehren sie freiwillig nach Bosnien zurück. „Damit sie keine zehnjährige Einreisesperre bekommen“, wie Mep Teufel, ehrenamtlicher Helfer des örtlichen Arbeitskreises Asyl erklärt. Also in Deutschland zumindest mal Verwandte besuchen können.

Der ehemalige Leiter des Musberger Aktivspielplatzes wird die Familie gemeinsam mit Hanne Schnaible, ebenfalls vom AK Asyl, zum Fernomnibusbahnhof in Obertürkheim begleiten. „Wir organisieren die Rückfahrt“, sagt Teufel. Die Arbeiterwohlfahrt bezahlt das Busticket – als einmalige Leistung. „Leicht wird es für die Familie in ihrer alten Heimat nicht“, sagt Hanne Schnaible. Als Roma gehören sie einer ethnischen Minderheit an und die bosnischen Winter seien hart. Sie werden kein festes Dach über den Kopf haben.

„Wir werden dort in Baracken leben“, sagt Lendita Spasoli in ihrer Sprache. Eine Übersetzerin überträgt die Worte ins Deutsche. Sie müssen wieder ständig umzuziehen. Immerhin sollen die Kinder auch dort die Schule besuchen. „Die einzige Chance für Roma-Kinder ist, an Bildung heranzukommen“, sagt Mep Teufel. Um der Familie den Neuanfang in der alten Heimat zu erleichtern, sammelt der Arbeitskreis nun Spenden für die Rückkehrer. Die Helfer wollen hierbei mit dem Verein Pharos zusammenarbeiten, der sich zum Ziel gesetzt hat, Armut durch Bildung zu bekämpfen und in Sarajevo Mitarbeiter hat.

Mindestens genauso tragisch ist die Geschichte von Doan Jasharov. Der 28-Jährige lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Seine Eltern kamen als Gastarbeiter und blieben, erzählt er. Bis vor einem knappen Jahr hat der junge Mann in einer normalen Wohnung Nürtingen gewohnt – mit Frau und drei Kindern. Er ging einer Arbeit nach, zahlte Steuern, wie andere auch. Das ist Geschichte. „Die Wohnung, die Arbeit, ich musste alles aufgeben“, sagt er in perfektem Deutsch. Die fünfköpfige Familie lebt nun in der Gemeinschaftsunterkunft des Kreises. „Das ist besonders für meine Kinder schlimm“, sagt Doan Jasharov.

Was war passiert? Im Sommer 2014 musste der Familienvater für einige Zeit nach Mazedonien reisen, berichtet er. Ein Haus, das dort auf seinem Namen lief, sei abgebrannt. Er wollte nach dem Rechten sehen, alles regeln. Als er zurück nach Deutschland kam, sollte er urplötzlich aus Deutschland abgeschoben werden – „in ein Land, das ich nur von ein paar Urlaubsaufenthalten her kannte“.

Seine Aufenthaltsgenehmigung war abgelaufen – just als er im Ausland weilte. Wegen der Aufregung um das abgebrannte Haus habe er einen Termin verpasst. „Ich habe einen Fehler gemacht und mich tausendmal dafür entschuldigt“, sagt er. Doch die zuständigen Behörden verlängerten seinen Ausweis nicht. Er holte sich Hilfe bei Rechtsanwälten – ohne Erfolg.

Nun haben die Jasharovs Asyl beantragt. „Wir haben nichts in Mazedonien, wo wir hinkönnen“, sagt der Vater. Das Verfahren läuft. Eine Anhörung hat die fünfköpfige Familie noch nicht erhalten.

23 Menschen, darunter 13 Kinder, leben in dem Pfarrhaus, das vor eineinhalb Jahren zur Unterkunft für Flüchtlinge wurde. Den fünf Familien stehen jeweils ein bis zwei Zimmer zur Verfügung. Es gibt eine Küche für alle. Besonders eng geht es in dem Zimmer einer jungen Mutter aus Tschetschenien zu. Fünf Menschen leben in dem schmalen Raum. Wenn abends alle Betten ausgeklappt sind, bleibt kein Platz mehr zum Laufen. Es gibt einen winzigen Tisch. Auf diesem wird gegessen. Dort sollen die größeren Kinder Hausaufgaben machen. Dort wird auch der Säugling gewickelt.

„Seit einem Jahr leben wir hier“, sagt die Frau, deren Name nicht genannt werden soll. Sie ist von Grosny aus, der Hauptstadt der im Nordkaukasus gelegenen russischen Republik, nach Deutschland geflohen. Während sie versucht über ihre Fluchtgründe zu sprechen, bricht sie in Tränen aus. Persönliche, aber auch gesellschaftliche Probleme haben sie aus ihrer Heimat vertrieben. Nun hofft sie zumindest auf etwas mehr Platz für ihre Familie.