Blick auf einen Schlafbereich in einer für Asylbewerber bereitgestellten Unterkunft in einem ehemaligem Möbelhaus im bayrischen Fürth Foto: dpa

Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten soll erweitert werden. Die Grünen fordern im Gegenzug eine bessere Gesundheitsversorgung für Asylbewerber.

Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten soll erweitert werden. Die Grünen fordern im Gegenzug eine bessere Gesundheitsversorgung für Asylbewerber.
 
Stuttgart/Berlin - Das Konzept für die Aufnahme der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen im Land nimmt Konturen an: Vier Erstaufnahmestellen sollen Platz für bis zu 4000 Menschen bieten. Laut CDU „doktert“ Grün-Rot nur herum.
Worüber soll am Freitag im Bundesrat abgestimmt werden?
Die Große Koalition will angesichts des anhaltenden Zustroms an Asylbewerbern die Balkanstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Bisher gehören zu dieser Kategorie die Mitgliedstaaten der EU sowie Ghana und der Senegal. Deutschland soll nach dem Willen von Union und SPD als Zielland für Asylbewerber aus dem westlichen Balkangebiet weniger attraktiv werden. Der Bundestag hat die Pläne bereits Anfang Juli verabschiedet. Im Bundesrat gibt es aber noch keine Mehrheit dafür – wegen Bedenken aus Ländern mit Regierungsbeteiligung der Grünen.
Was sind sichere Herkunftsstaaten?
Wird ein Land als sicherer Herkunftsstaat eingestuft, können Asylbewerber, die aus diesem nach Deutschland kommen, leichter dorthin zurückgeschickt werden. Maßgebend ist, ob in den betroffenen Ländern ähnliche Rechtsstandards wie in Deutschland gelten und ob die Betroffenen in diesen Länder nach Einschätzung deutscher Behörden Verfolgung zu befürchten haben.
Wie viele Asylbewerber in Deutschland kommen aus den drei Balkanstaaten?
Die Gesetzesänderung wurde von der Großen Koalition auf den Weg gebracht, weil seit der Aufhebung der Visumpflicht für Bürger aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina 2009 und 2010 die Zahl der Asylanträge, die von Bürgern aus diesen Staaten gestellt werden, stark angestiegen ist. Fast jeder fünfte Asylantrag, der 2013 in Deutschland gestellt wurde, stammt von Bürgern aus diesen drei Balkanstaaten. Die Anerkennungsquote liegt aber bei weniger als einem Prozent. Von Bürgern aus Serbien wurden in diesem Jahr bisher 9634 Erstanträge gestellt, aus Bosnien-Herzegowina 3586 Erstanträge und aus Mazedonien 3563. Die Kurve der Asylbewerber insgesamt geht seit längerem nach oben. Im vergangenen Jahr erreichte sie den höchsten Stand seit den 1990er Jahren. 2014 gingen bis Ende August insgesamt 115 737 Asylanträge beim Bundesamt für Migration ein. Davon waren 99 592 Erstanträge und 16 145 Folgeanträge. Vor allem aus Syrien kommen immer mehr schutzsuchende Menschen nach Deutschland. 19 089 Erstanträge wurden in diesem Jahr von Syrern gestellt. Man solle sich auf diese Menschen konzentrieren, die tatsächlich Schutz benötigen, so das Argument der Gesetzesbefürworter.
Wie werden die Asylbewerber auf die Bundesländer verteilt?
Neu ankommende Asylbewerber werden in Deutschland nach einem Quotensystem auf die 16 Bundesländer verteilt, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Dieser wird für jedes Jahr – anhand von Bevölkerungszahl und Steuereinnahmen der einzelnen Bundesländer – neu berechnet. Dieses Jahr muss Nordrhein-Westfalen mit mehr als 21 Prozent der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge die höchste Quote an Asylsuchenden aufnehmen, gefolgt von Bayern mit rund 15 Prozent sowie Baden-Württemberg mit knapp 13 Prozent. Die niedrigste Quote hat Bremen mit nicht mal einem Prozent.
Welche Positionen stehen sich im Bundesrat gegenüber?
Angesichts der steigenden Zahl an Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak dringt Bundeskanzlerin Angela Merkel darauf, Asylanträge von Menschen aus den Balkanstaaten abzuweisen. Die Grünen, die derzeit an sieben Landesregierungen beteiligt sind, lehnen diese Pläne ab. Sie wollen der Großen Koalition im Gegenzug zu ihrer Zustimmung im Bundesrat Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik abringen. Das Gesetz kann nur in Kraft treten, wenn mindestens eines der Länder dafür stimmt, in denen die Grünen mitregieren.
Welche Kompromisse werden derzeit verhandelt?
Die Grünen fordern, dass die Kommunen finanziell entlastet werden. Es soll mehr dafür getan werden, dass Asylbewerber in Deutschland arbeiten können. Die Bundesregierung hat bereits eingewilligt, die Frist bis zur Arbeitsaufnahme auf drei Monate zu verkürzen. Bisher beträgt diese für Asylbewerber neun Monate und für geduldete Ausländer ein Jahr. Die Grünen wollen zusätzlich die sogenannte Vorrangregelung abschaffen. Sie besagt, dass die Arbeitsämter erst prüfen müssen, ob für eine freie Stelle nicht ebenfalls ein deutscher Bewerber infrage kommt, bevor sie den Job an einen Asylbewerber geben. Der CDU-Vize und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hält eine Vereinfachung für vertretbar. „Unsere Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte und viele Asylbewerber eine sinnvolle Beschäftigung. Bei der guten wirtschaftlichen Lage liegt es daher nahe, die Bedingungen zur Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern zu erleichtern“, sagt er. Ein weiteres Thema, das hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, ist die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, die Kommunen dürften bei den Gesundheitsleistungen für Asylbewerber nicht länger im Stich gelassen werden. Asylbewerber sollen in das normale Gesundheitsversorgungssystem integriert werden. Die Kosten dafür soll der Bund übernehmen.
Welche Alternativen werden diskutiert?
Die CSU fordert, angesichts von mehr Flüchtlingen notfalls Grenzkontrollen wieder einzuführen. Dies lehnt die Bundesregierung aber ab. Dieser Schritt wäre als Ultima Ratio an strenge Auflagen geknüpft und komme nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht. Zu den Kriterien zählt etwa die Bedrohung von Sicherheit und Ordnung.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Einigung?
Noch ist unklar, ob sich beide Seiten bis zur Sitzung an diesem Freitag einig werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich am Dienstag weiterhin offen: „Wir sind kompromissbereit.“ . Ob es noch einen Kompromiss geben wird, vermochte er nicht zu sagen. „Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Prognose abgeben.“ Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es am Freitag doch nicht zu einer Abstimmung kommen wird, um die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg bei der Entscheidung zu berücksichtigen und erst nach Bildung der neuen Landesregierungen abzustimmen.