Pistius truncatus ist eine kleine Krabbenspinne und offenbar selten. Foto: Jürgen Brand

Eine kleine Spinne kann mitten in der Großstadt durchaus beträchtliche Auswirkungen haben. Das nicht nur innerfamiliär, sondern auch in sozialen Netzwerken bis hin zur Arachnologischen Gesellschaft. Wir dürfen vorstellen: Pistius truncatus, eine Krabbenspinne.

S-Ost - Mit Spinnen ist das so eine Sache. Jeder kennt sie, sie sind überall in der Großstadt, und vor allem auch dank ihnen werden wir an schwülwarmen Sommertagen weniger gestochen, weil auf ihrem Speisezettel bevorzugt leckere Insekten stehen. Andererseits mag sie kaum jemand so wirklich gern, manche Menschen geraten bei ihrem Anblick regelrecht in Panik. Das nennt sich dann Arachnophobie und ist weiter verbreitet, als man denkt.

Kaum einen Zentimeter groß, macht aber manchen Angst

Spinnen in der Großstadt können aber auch ganz spannend sein. Das zeigt ein Beispiel aus Gaisburg. Dort hatte so ein Tier – Spinnen sind keine Insekten, die haben zwei Beine weniger – über Nacht durch ein schräg gestelltes Fenster den Weg in eine Küche im dritten Obergeschoss eines Wohnhauses gefunden. Das Haus steht eher im urbanen Teil des Ost-Stadtteils, also nicht am Rand einer der vielen Parks und Grünanlagen. Und in der aufgeräumten Küche war auch keine große Beute zu erwarten.

Die Bewohner betrachteten den kaum einen Zentimeter großen Eindringling an der Decke aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. „Kann das bitte jemand wegmachen“, kam aus sicherer Distanz von der Küchentür. „Das ist doch ganz klein und macht doch nichts“, tönte es vom Nachwuchs. Aber – was war das eigentlich für ein Lebewesen?

Weder Zecke noch giftiger Totbeißer

Ein rasch gemachtes und in soziale Netzwerke eingestelltes Foto erhöhte die Klickrate schlagartig. Die Kommentare reichten von „Zecke“ über „Juchtenkäfer“ bis zu „Der hochgiftige Totbeißer“, womit dem kleinen Wesen aber eindeutig Unrecht getan wurde. Es gab aber auch Fachfrauen unter den Nutzern, die auf die richtige Spur halfen: Es handelte sich offenbar um ein Exemplar der Pistius truncatus, der Krabbenspinne. Eine Expertin vermutete gar eine echte Rarität, Thomisus onustus aus der Krabbenspinne-Familie und die einzige Art der Gattung Thomisus in Europa. Die ist selten und steht auf der roten Liste.

Bei so einer Exotik mussten Fachleute ran, in dem Fall der Nabu-Landesverband. Von dort kam auch prompt die Einschätzung, dass es sich um ein Weibchen von Pistius truncatus handeln könnte, das hierzulande bisher tatsächlich eher selten gesichtet wurde. Gleichzeitig kam die Bitte, den Fund doch der Arachnologischen Gesellschaft – ja, die gibt es tatsächlich – zu melden und um genauere Einordnung zu bitten. Dort werden in mühsamer Kleinarbeit Verbreitungskarten von Spinnen aller Art geführt und auf aktuellem Stand gehalten. Stuttgart ist noch eher ein weißer Fleck auf diesen Karten. Wer etwas zur Vervollständigung beitragen will, kann das unter www.spiderling.de tun.

Unter den Nachbarn in Gaisburg sorgte die Entdeckung kurz für Aufregung: „Was? Am Ende noch geschützt? Dann darf man hier ja gar nichts mehr bauen.“ Der Juchtenkäfer aus dem Schlossgarten lässt grüßen. Giftig ist die Krabbenspinne übrigens nicht, Menschen tut sich auch nichts. Und das Gaisburger Exemplar hat den Ausflug in die Küche unbeschadet überlebt.