Rosalies „Chandelier“ Foto: Rosalie

Bunt, gegensätzlich, für jeden etwas, Forum für Einsteiger: Es gibt viele Etiketten für die Kunstmesse Art Karlsruhe. Klar wird in diesem Jahr: Die bloße Rolle als die andere Kunstmesse wird auf Dauer nicht reichen.

Karlsruhe - Noch immer wirkt die Messe Karlsruhe mit der eingefügten dm-Arena in ihrer Umgebung seltsam fremd. Dieser Ort will erwärmt sein – und schon dies ist vielleicht das erste Problem der Kunstmesse Art Karlsruhe. Dabei ist „Problem“ ein hässliches Wort in diesem Zusammenhang. Man spricht heute ja lieber von Herausforderung. Eine solche ist die Lage der Messe, ist die (Über-)Dimension des (Verteiler-)Foyers, ist die Unnahbarkeit des Hallen-U, das sich nicht zu einem Ganzen fügen will.

Wer, wenn nicht die Kunst, könnte all diese Herausforderungen annehmen – das ist die eine Frage. Wer, wenn nicht die Kunst, könnte all diese Herausforderungen unmissverständlich sichtbar machen – das ist die andere Frage, die Gegenfrage.

So hat „Chandelier“, die 16 Meter hohe Lichtskulptur der Stuttgarter Objekt- und Bühnenkünstlerin Rosalie im Foyer der Messe, also sehr wohl eine klare Aufgabe. Spektakulär zu sein – das ist das eine. Mehr noch aber geht es darum, die Widersprüche aufzuheben, für den Moment des Eindrücklichen alle Zweifel zurückzustellen. Die Kunst, die Skulptur – in Kooperation mit dem von Peter Weibel gelenkten Zentrum für Kunst und Medientechnologie realisiert – ficht das nicht an. Sie macht, wie es heute gerne heißt, ihr Ding. In diesem Fall gar so sehr, dass „Chandelier“ (zu bestaunen am ehesten von den Nachmittagsstunden an) schon im bloß linearen Dschungel autonomer wirkt als die zur Attraktion dieser Art Karlsruhe ausgerufenen, hallenwandfüllenden Arbeit „Light Scapes“ in der offiziell der „Gegenwartskunst“ vorbehaltenen Halle 4.

Eben diese hier ausgerufene Gegenwart aber bleibt ein schwarzes Loch. An den Techniken mangelt es nicht. Fotografie, Malerei, Video oder Collage mit allem, was das Materialherz begehrt – alles da. Vor allem aber in der Malerei ist auf dieser Art Karlsruhe Gegenwart nur ein Wort. Gemaltes lautstarkes Großstadtgewimmel oder das Überziehen der Tiefenschärfe in der Fotografie mögen als das in der Kunst ja gesuchte andere gelten wollen. Eine einzig relevante Papierarbeit von Rainer Fetting aus den Punknächten im Westberlin der frühen 1980er Jahre und ein einziges relevantes Bild von Werner Büttner von 1985 („Mama“, Galerie Eva Meyer, Paris) aber fegen das müde Jetzt förmlich aus den Hallen.

Das Feld ist damit frei – für die Souveräne wie die vielfach zu sehenden Markus Lüpertz und Walter Stöhrer auf der Malerseite oder für François Morellet aus dem Feld der Konkreten Kunst. Auch das Wiederentdecken wird so provoziert – so setzt die Galerie Haas aus Zürich umfangreich und qualitätvoll auf Werke des für die deutsche Kunst nach 1945 so wichtigen Bildhauers Hans Uhlmann, und so überrascht die Münchner Galerie Maulberger mit einem Panorama des an der Stuttgarter Akademie unvergessenen Malers K. R. H. Sonderborg, das die Diskussionen über Sonderborg-Fälschungen in großem Stil zugunsten der Frage nach Sonderborgs Bedeutung für die Kunst der 1950er und 1960er Jahre vergessen macht.

Zu den fröhlichen Widersprüchen der Art Karlsruhe passt dies: der mit einer Sonderschau verbundene Hans Platschek-Preis für Kunst und Schrift an die Zeichnerin Sandra Boeschenstein. Welcher Feinsinn in diesen Blättern, welche Insel die Präsentation. Da fällt, ein paar Schritte in der Halle 1 weiter, selbst den Verantwortlichen der in der Kunsthalle Emden beheimateten Sammlung Nannen die passende Sonderausstellungs-Antwort schwer. Eine wunderbare Reihe großformatiger Bilder von Maxim Kantor aber macht denn doch deutlich, welche Schätze in Emden zu heben sind.

Und die Galerien? Ein schöner Franz-Bernhard-Block bei der Karlsruher Galerie Knecht und Buster lockt, die Stuttgarter Galerie Molliné (mit der Malerin Susanne Ackermann) kann punkten, und die Frankfurter Galerie Hübner & Hübner setzt mit collagierten und gemalten Raumarchitekturen von Thomas Böing ein Ausrufezeichen im Wettlauf um den Art-Karlsruhe-Preis für die beste Einzelpräsentation.

In Halle 2 kontert die Pariser Galerie Lahumière mit einer Konkreten-Phalanx und dürfte sich auch die Stuttgarter Galerie Anja Rumig mit ihrem Block eigentümlich roh und sanft zugleich wirkender Collagen-Malerei von Jessica Buhlmann Preis-Chancen ausrechnen. Da tut zuletzt die Ruhe am Stand der Galerie Döbele gut – mit einem Konvolut an Bildern des einstigen Stuttgarter Baumeister-Konkurrenten Max Ackermann, das eine Wiederannäherung auf musealer Ebene provozieren könnte und sollte.

Umgekehrt reicht Willi Baumeister das so kokette wie alle europäischen Bezüge des Stuttgarters offenlegende „Frau mit erhobenem Arm“ am Stand der Stuttgarter Galerie Valentien, um die dominante Position in der Kunstgeschichte zu unterstreichen. Ja, „Kunstgeschichte im Kleinen“, wie von den Messe-Werbern versprochen, findet sich auch – erwartungsgemäß am Stand der Galerie Schlichtenmaier (Grafenau/Stuttgart).

Da wird es dann schon eng für mögliche Überraschungen. Die Stuttgarter Galerie Michael Sturm hält sie bereit: Ihre Bühne für die Aktions- und Konzeptgruppe Filderbahnfreunde Möhringen ist nicht nur Messepreis-würdig, sondern weist der Art Karlsruhe ganz nebenbei in aller Ruhe wie in aller Konsequenz den notwendigen Weg. Ebenso wie der souveräne Auftritt der Londoner Flowers Gallery mit Größen wie Michael Sandle. Die Flowers-Premiere in Karlsruhe dürfte zudem Messe-Kurator Ewald Schrade Mut machen, die Art Karlsruhe gezielt zu internationalisieren.

Sammler wiederum dürften die auffällig niedrigen Preise für Lüpertz, Wintersberger, Sonderborg und andere ebenso registrieren wie das anhaltend hohe Niveau für Stöhrer , Morellet oder Kirkeby. Und sie werden bei dieser Art Karlsruhe an manchem vorbeigehen, kaum aber an den Figurenräumen des Stuttgarters Gert Wiedmaier (Galerie am Dom und Multiple Box). Auch Entdeckungen also bleiben Teil der Art Karlsruhe – und so gesehen ist die Gegenwart doch nicht so fern, wie es auf den ersten Blick scheint.