Als ramponierter Terminator wurde Arnold Schwarzenegger zum Kinokult. Foto: Columbia

Kinokarrieren wie die seine wird es wohl nie mehr geben: Der am 30. Juli 1947 in der Steiermark geborene Arnold Schwarzenegger ist längst eine Ikone der Popkultur. Anfangs hätte ihm das kaum jemand zugetraut.

Stuttgart - Was für eine Witzfigur! Wer in den siebziger Jahren nicht auf Bodybuilding, aber auf schräge Dokumentarfilme stand, der gab George Butlers Body-Building-Doku „Pumping Iron“ als Geheimtipp weiter. Und konnte gar nicht anders, als einen der Hauptdarsteller für eine dreiste Erfindung zu halten. Sportscheuen Bequemlichkeitsverehrern kam sowieso die ganze hier proträtierte, selbstquälerisch ehrgeizige, von Training und Pülverchen auf Baumaschinengröße gebrachte Clique gesteigert seltsam vor. Doch ein Kerl namens Arnold Schwarzenegger war der unglaublichste von allen.

Da spreizte sich ein wunderlicher Koloss vor der Kamera, dessen Oberkörper aussah wie ein von Riesenkräften aus der Form gedrückter Betonmisch-LKW, dessen Arme und Beine wie enorme Kanalrohre aus dem absonderlichen Rumpf wuchsen und dessen Kopf wie das harte Ende eines mittelalterlichen Rammbocks dräute. Dieser am 30. Juli 1947 in der Steiermark geborene Gendarmensohn glaubte allen Ernstes, in den USA sein Glück machen zu können. Nein, mehr noch, dieser Mann, der englische Vokabeln zerdehnte wie ein Betrunkener die Reste eines Käsefondues, hielt sich sichtlich für einen Übermenschen, dem bald nicht nur Fans und Orientteppiche zu Füßen liegen würden, sondern auch alle beschämten Spötter.

Wahnwitz und Glück

Man kann dieses anmaßende Selbstvertrauen, das den jungen Schwarzenegger umnebelte, dieses breite Grinsen, das eher eine Weltzerbeißungsdrohung darstellt, noch immer nicht fassen. Aber man weiß nun, dass sie berechtigt waren: Arnold Schwarzenegger hat tatsächlich eine der ganz großen amerikanischen Karrieren hingelegt. Auch in Hollywood ist es ja ganz selten, dass einer im Leben gigantomanischer ist als irgendeine seiner Leinwandfiguren. Schwarzenegger aber hat in der späteren Phase seiner Karriere die Plätze mit den Drehbucherfindungen getauscht: Nicht die Filmrollen schminken mit ihrem Wahnwitz das normale Leben des Darstellers ein wenig auf, der Wahnwitz des Darstellers beglaubigt das Maßstabsprengende der Rollen.

Zunächst schien es noch das Glück der Unbedarften, das dem tumb wirkenden Schwarzenegger eine Nische in Hollywood bescherte. In „Conan der Barbar“ (1982) von John Milius und „Conan der Zerstörer“ (1940) von Richard Fleischer gab er den ultimativen Wüterich in einer darwinistischen Barbarenhölle, den Muskelfleisch und Kieferkrampf gewordenen Gegenentwurf zu einer Bürgerwelt des Lesens und Schreibens.

Plötzlich cool und pfiffig

Es werde, dachte man sich, ja nicht all zu viele Filme mit Typen geben können , die ihre Bizepse, Trizepse und Brustmuskulaturen trugen wie verwirrte Menschen mitten im Hochsommer drei Wintermäntel übereinander. Aber dann kam James Camerons Low-Budget-Kultfilm „Terminator“ (1984) mit Schwarzenegger als Killerroboter aus der Zukunft. Und plötzlich hing der Verdacht im Raum, der steirische Klotz könne da nicht nur in einem ziemlich coolen und pfiffigen Film mitspielen, sondern selbst eine coole und pfiffige Seite haben.

Zwischen Ironie und Politik

Es hat dann noch ein paar Jahre gedauert, bis er die offenbarte, bis er seine panzersperrenhafte Physis ironisierte. In „Twins“ (1988) von Ivan Reitman spielte er den Zwillingsbruder von Danny DeVito, und als er neben dem kleinen Kollegen vor der Kamera stand wie ein Lastwagen neben einem Hydranten, flogen ihm auch Herzen ehemaliger Verächter zu. Denn er witzelte nicht bloß in einem Akt individueller Imagekorrektur herum. Er holte die radikaler werdende Körperkultur einer beim Aufbruch der Gesellschaft in die digitale Zukunft zurückbleibenden Unterschicht zurück in den Mainstream. Er strebte eine dringend nötige soziale Anbindung an.

Treppenwitz und Taktik

So konnte man nun auch Schwarzeneggers Actionrollen – in „Total Recall“ (1990) etwa und „Terminator 2“ – viel unbefangener genießen, durfte sie nach Herzenslust überinterpretieren und mit Subtexten unterfüttern. Schwarzenegger mochte das im Einzelnen nicht verstehen, schien aber im Ganzen dazu einzuladen: Seine Person, Karriere, Physis und Rollen als Kräfte, die Auseinanderstrebendes in den USA zusammenhielten – diese Interpretation gefiel ihm.

Dass Schwarzenegger dann in die Politik ging, dass er 2003 wirklich zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde, war einerseits ein Treppenwitz: Er blieb ja vor allem ein eitler Showman. Andererseits zeugte es von klarem taktischen Denken. Das Kino der digitalen Tricks brauchte keine authentischen Körper mehr. Aber eine Politik der harten Sachzwänge und undurchschaubaren Lobby-Einflüsse konnte einen Mann mit Terminatoren-Image gut gebrauchen.

Der unerfüllbare Wunsch

Seit dem Ende seiner Gouverneurskarriere ist Schwarzenegger immer wieder auf die Leinwand zurückgekehrt. Aber das waren nostalgische Übungen, altherrenironische Erinnerungen an andere Zeiten. Der Mann, der sich als Konservativer für eine neue Klimapolitik stark gemacht hat, ahnt: Popikonen sind nicht mehr vom Kino zu erwarten. Die Politik und ihre Fragen müssen Popkultur werden, wenn die Welt überleben soll. Zu gerne hätte Schwarzenegger daran noch vom Oval Office aus mitgearbeitet. Aber die US-Verfassung reserviert das höchste Amt für gebürtige Amerikaner wie den Milliardenerben Donald Trump – den der Selfmade-Man Arnold Schwarzenegger nicht nur aus diesem Grund eher weniger mag.