Rundfunkgebühr? Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Zwangsabgabe für die Öffentlich-Rechtlichen ganz ab. Foto: dpa

Wozu brauchen wir ARD und ZDF überhaupt noch? Die Politik selbst muss in den nächsten Jahren die Spielregeln der deutschen Medienlandschaft bedenken und neu ordnen. Jetzt fordert sie Reformen von den Öffentlich-Rechtlichen – fordert sie zuviel, fragt sich unser Kommentator Tim Schleider.

Stuttgart - Was interessiert an diesem Montag das Land? In Berlin werden nach der Bundestagswahl Blumen verteilt und Wunden geleckt. Weitab vom Schuss steht aber ein ganz anderes Thema zur Debatte: ARD, ZDF und Deutschlandradio, die drei Rundfunkanstalten öffentlichen Rechts in Deutschland, müssen an diesem Montag bei den Ministerpräsidenten der Länder ihre Reformvorschläge abgeben – Reformen, sich selbst betreffend: Wie können die Öffentlich-Rechtlichen sparsamer und effektiver als bisher mit ihren jährlich weit über 8 Milliarden Euro Rundfunkbeiträgen der Bürger wirtschaften? Und trotzdem diesen Bürgern womöglich sogar noch bessere Programme abliefern?

Ganz freiwillig haben sich das Erste, das Zweite und der Deutschlandfunk nicht in Klausur begeben. Die Politik hat Druck ausgeübt, die Ministerpräsidenten schauen mit Sorgen auf die öffentliche Debatte. Die 17,50 Euro, die in jedem deutschen Haushalt pro Monat für Radio und Fernsehen fällig werden (und in Unternehmen ist es oft ein Vielfaches), sind unbeliebter denn je. Die Umfragen differieren ein wenig, je nachdem, wer der Auftraggeber ist. Aber der Kern steht fest: Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Zwangsabgabe für die Öffentlich-Rechtlichen ganz ab. Das ist der Konfliktstoff, der sich schnell zu einer Grundsatzdebatte entwickeln könnte – wozu brauchen wir ARD und ZDF überhaupt noch? Es ist ja kein Zufall, dass die „Alternative für Deutschland“ auch diese Stimmung früh in ihr Programm aufgenommen hat.

Die Ministerpräsidenten sorgen sich – und haben sich zum Ziel gesetzt, wenn irgend möglich, den Rundfunkbeitrag trotz der allseits grassierenden Teuerung auch über 2021 hinaus (da ist der nächste Stichtag, zu dem hin diese Quasi-Steuer neu festgesetzt werden muss) nicht über 17,50 Euro hinaus steigen zu lassen, oder wenn doch, dann nur ein kleines bisschen. Deswegen der Auftrag an ARD und ZDF, jetzt mal selbst Reformvorschläge zu machen, wie man besser als bisher mit dem Vorhandenen auskommen kann. Und so wird auch klar, was mit „Reformen“ eigentlich gemeint ist: Einsparungen.

Das Erste Programm komplett abschaffen?

Nun geht es bei alledem nicht um die Spesenkasse. Medienexperten haben berechnet, dass man bei den Ausgaben der Rundfunkanstalten Einsparungen in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr vollbringen müsste, um die berühmt-berüchtigten 17,50 Euro womöglich bis 2023 annähernd stabil zu halten. Eine solche Summe, wenn man sie denn fordert, kommt nicht zusammen, wenn man nur diesen oder jenen Korrespondenten streicht und zwei weitere Orchester auflöst. Solche Summen ergeben sich nur, wenn man tatsächlich die kleinen ARD-Sender Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk auflöst. Oder, noch radikaler, indem man das Erste Programm abschafft, dem ZDF exklusiv das nationale öffentlich-rechtliches TV-Programm überlässt, während sich SWR, NDR oder die Bayern ganz auf ihre Dritten als Regionalprogramm konzentrieren.

Eine Vermutung: Die Sender werden in ihrem Papier solch weitreichende Forderungen vermeiden. Es handelt sich dabei auch um Forderungen, die sie selbst gar nicht beschließen könnten. Es geht darum kein Weg daran vorbei: Die Politik selbst muss in den nächsten Jahren die Spielregeln der deutschen Medienlandschaft bedenken und neu ordnen. Das Miteinander von öffentlich finanzierten und privat wirtschaftenden Unternehmen, von Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen, der Wettbewerb vor allem auf dem digitalen Feld muss fair und verlässlich geregelt sein. Insofern ist die Debatte mit dem heutigen Tag erst eröffnet. Und die künftig Regierenden in Berlin haben auch dieses Thema auf ihrer Agenda. www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.bdzv-zeitungskongress-in-stuttgart-studie-kritisiert-oeffentlich-rechtliche.1257980e-eb66-4a21-885c-cc2d3f8f7c96.html www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.rundfunkgebuehren-auf-dringender-suche-nach-veraenderung.e778ec6f-2cd5-4d4e-ad2b-696760223dd0.html www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ard-moderator-tom-buhrow-verteidigt-sein-gehalt.cf453699-1d7c-4601-b132-9f20a096b02e.html

Tim.Schleider@stzn.de